Formel E im Jahr 2023 - sollte man sich anschauen! An diesem Wochenende ist die Elektro-WM wieder zu Gast in Berlin (22./23. April, 15:00 Uhr live bei ProSieben) und dreht ihre Runden auf dem Rollfeld des ehemaligen Tempelhofer Flugplatzes. Hach, da werden doch Erinnerungen wach an die alten DTM-Schlachten auf den Flugplatzkursen von Diepholz oder Mainz-Finthen... Übrigens: Ausverkauft war das Spektakel früher wie heute.

Trotz aller Unkenrufe und berechtigter Sorgen um die Zuverlässigkeit der neuen Gen3-Autos, hat sich die erste Saisonhälfte zu einem höchst abwechslungsreichen Spektakel gemausert. Das verspricht schon jetzt einen großartigen Fight bei den noch folgenden Rennen in Monaco, Jakarta, Portland, Rom und vor allem Ende Juli beim Finale im Londoner Hafengebiet.

Formel E sucht nach Akzeptanz bei Motorsport-Fans

Die neue Ära der Formel E bot bislang so ziemlich alles, was man sich unter spannendem Motorsport vorstellt. An den Zutaten kann es nicht liegen, dass beim öffentlichen Interesse an der Elektro-Weltmeisterschaft noch einiges an Luft nach oben ist und bleibt. Bitte an die Formel-E-Bosse: Der Fokus muss jetzt weiter auf dem Rennsport liegen, dann hören auch endlich die leidigen Diskussionen über Dieselaggregate im Fahrerlager (ja, gibt es bei manchen Rennen) der Vergangenheit an...

Der Titelkampf entwickelt sich zu einer echten Schlacht zwischen dem mit langem Anlauf erstarkten Porsche-Werksteam um Pascal Wehrlein, der titelhungrigen Jaguar-Truppe und DS Penske, wo Jean-Eric Vergne neben dem amtierenden Champion Stoffel Vandoorne die dritte Meisterschaft anpeilt. Weitere Top-Namen wie McLaren mit dem dreifachen DTM-Meister Rene Rast oder der viermalige Le-Mans-Sieger Sebastien Buemi haben bereits Highlights gesetzt.

Mit Porsche und Co.: In der Formel E wird einiges gebotenFoto: Porsche AG

Ebenso spannend sieht es am anderen Ende der Formel-E-Tabelle aus: Rückkehrer Abt Sportsline tut sich beim Comeback wahnsinnig schwer und steht nach den ersten sechs Rennen ohne Punkte da. Hallo, die seit Jahren überall so erfolgreichen Äbte?! Die Formkurve mit dem Mahindra-Kundenauto zeigt immerhin nach oben und mit Cupra aus dem VW-Konzern hat der Kemptener Rennstall einen Autobauer als Partner an Bord, der die Werbetrommel für den Motorsport mehr rührt als so mancher deutscher Hersteller. Hut ab!

Neues Formel-E-Auto bleibt eine Baustelle

Dramatisch wurde es schon beim Saisonauftakt in Mexiko-City, als sich Abt-Pilot Robin Frijns bei einem scheinbar harmlosen Auffahrunfall die linke Hand zertrümmerte und wochenlang ausfiel. Ein Rückschlag für den Kemptener Rennstall und eine Warnung ans gesamte Fahrerlager, äußerst vorsichtig mit den physisch extrem schwer zu steuernden Lenkrädern ohne Servounterstützung zu hantieren.

Knochenarbeit, im wahrsten Sinne des Wortes. Und kein Einzelfall, wenige Rennen später entging Buemi nur knapp einem Handbruch - das Gen3-Auto bleibt eine Baustelle wie einst der BER und Kritiker sind der Meinung, dass die Einführung angesichts von Corona- und Wirtschaftskrisen bis hin zu Lieferengpässen deutlich zu früh kam. Hier herrscht einiges an Nachbesserungs-Potenzial.

Das bekam auch schon WM-Kandidat Wehrlein zu spüren, als er im Hyderabad-Training schuldlos mit hoher Geschwindigkeit in die Mauern krachte und die halbe Nacht im Krankenhaus verbringen musste. Trotz Schmerzen konnte der frühere DTM-Champion und Formel-1-Fahrer am nächsten Morgen wieder ins Geschehen eingreifen und mit einer Aufholjagd bis auf den vierten Platz zum Helden avancieren. Hat Netflix schon bei der Formel E angeklingelt?

Und was ist nur bei Maserati, dem zweiten Neueinsteiger, los? Dem Team, das 2022 unter dem Namen Venturi immerhin Vize-Weltmeister geworden ist! Lag es damals nur am starken Motor von Aussteiger Mercedes? Das würde den weiter reichlich vorhandenen Formel-E-Kritikern immerhin glasklar aufzeigen, dass die Hersteller bei der Entwicklung sehr wohl einen Unterschied ausmachen können - Einheits-Chassis und -Batterien hin oder her.

Die bisherigen Formel-E-Rennen 2023 waren durchaus spektakulärFoto: LAT Images

Gebt der Formel E eine Chance

Den durch die Bank hochprofessionellen Teams und Fahrern der Formel E bleibt zu wünschen, dass die Serie endlich die Akzeptanz auch bei Motorsport-Fans erhält, die ihr zweifelsohne zusteht. Der verhasste Fanboost ist Geschichte, die neuen Autos sind schnell und stellen Topspeed-Rekorde auf. Allein die sicherlich diskutable - vor dem Fernseher aber vernachlässigbare - Sound-Thematik kann doch nicht ernsthaft der Grund sein, dauerhaft auf die Formel E einzuhacken...

DTM-Star Rene Rast sagte uns vor seinem Heimspiel in Berlin: "Der reine Motorsport-Fan, was ich so merke, hat allgemein eher eine Abneigung gegen Elektro. Das sehe ich selbst, wenn ich die Kommentare auf meinen Social-Media-Kanälen durchschaue. Der reine Motorsport-Fan sagt, dass es laut sein oder stinken muss, dass sie die Motoren hören wollen und dass die Formel E kein richtiges Racing sei. Das höre ich immer wieder. Wenn man der Formel E eine Chance gibt, sieht man, dass die Rennen sehr spannende und unterhaltsame Rennen produziert."

Die Serienverantwortlichen müssen sich jetzt endlich weiter auf das Kernprodukt - den Rennsport - fokussieren. Wegen Nachhaltigkeitsthemen schaltet niemand ein oder kauft Tribünentickets. Ist nun mal so. Die grüne Botschaft kann dann gerne mitschwingen, wenn die Helden im Cockpit in den Fokus rücken. Der Weg ist noch sehr lang, aber die Richtung stimmt endlich.

Formel E: Tabelle 2023

Pos. Fahrer Team Punkte
1 Pascal Wehrlein Porsche 86
2 Jake Dennis Andretti 62
3 Nick Cassidy Envision 61
4 Jean-Eric Vergne DS Penske 60
5 Antonio Felix da Costa Porsche 58
6 Sam Bird Jaguar 44
7 Sebastien Buemi Envision 42
8 Rene Rast McLaren 40
9 Mitch Evans Jaguar 39
10 Jake Hughes McLaren 32
11 Stoffel Vandoorne DS Penske 22
12 Lucas di Grassi Mahindra 18
13 Andre Lotterer Andretti 18
14 Norman Nato Nissan 11
15 Sergio Sette Camara NIO 333 10
16 Dan Ticktum NIO 333 9
17 Oliver Rowland Mahindra 8
18 Sacha Fenestraz Nissan 7
19 Edoardo Mortara Maserati 3
20 Maximilian Günther Maserati 0
21 Nico Müller Abt-Cupra 0
22 Robin Frijns Abt-Cupra 0
23 Kelvin van der Linde (Ersatz) Abt-Cupra 0