Die erste Saison mit Hyundai liegt hinter dir. Hättest du sie so erwartet?
Thierry Neuville: In einigen Punkten sind meine Erwartungen übertroffen worden. Wir hatten bereits den ersten Sieg, das erste Podest nach der dritten Rallye und ein weiteres kam noch hinzu. Was die Resultate, den Aufbau des Teams und die Entwicklung des Fahrzeugs angeht, sind wir auf einem guten Weg. Manchmal erhofft man sich natürlich, dass es schneller geht, aber man muss dann zurückstecken und einsehen, dass man nicht von heute auf morgen Weltmeister werden kann. Alles braucht seine Zeit.

Aber hattest du nicht insgeheim die kleine Hoffnung, dass ihr ein ähnliches Debüt wie Volkswagen hinlegen könnt?
Thierry Neuville: Nein, das war in unserem ersten Lernjahr unmöglich. Ich bin das Auto auch vor der Saison schon gefahren und konnte sehen, dass das Potenzial noch nicht da war. Wir mussten als Team noch einiges lernen und in die richtige Richtung lenken. Auch musste das Team die Crew unterstützen, dass sie überhaupt Leistung bringen konnte. Das hat gefehlt und ist immer noch alles im Aufbau, aber der Fortschritt war von Rallye zu Rallye erkennbar.

Thierry Neuville wurde Sechster der FahrerweltmeisterschaftFoto: Sutton

2015 bringt ihr nun den Hyundai der neuen Generation. Erwartest du, dann vorne dabei zu sein?
Thierry Neuville: Es hat sich mit der Entwicklung des neuen Autos alles etwas verspätet. Selbst wenn wir hoffen, es zeitnah zu bringen, gibt es dennoch viele Sachen, die wir bereits am ersten Auto gerne verbessert hätten. Aber das musste noch warten. Ich hoffe, dass wir in der kommenden Saison öfter um das Podest kämpfen können.

Wo siehst du im neuen Auto das größte Verbesserungspotenzial im Vergleich zum bisherigen?
Thierry Neuville: Wir müssen leistungsmäßig noch einiges zulegen. Das Auto ist gut, aber es steht noch am Anfang. Es gibt viele Einstellungen, die wir noch nicht fahren können, die ich bei vorherigen Autos aber bereits zur Verfügung hatte. Das alles wird am neuen Auto von Beginn an funktionieren. Die einzige Sorge ist natürlich die Ausfallquote, wenn man ein neues Auto in die Meisterschaft bringt. Das ist beim bisherigen Auto eigentlich recht gut gelaufen. Aber dennoch denke ich, dass wir, was den Motor und die Leistung angeht, noch einiges zulegen müssen. Auch das Fahrverhalten könnte einfacher sein und mehr Vertrauen für den Fahrer bringen. Ich fühle mich im aktuellen Auto aber dennoch recht wohl.

Wenn du das mangelnde Vertrauen ansprichst: wo zeigt sich das besonders?
Thierry Neuville: Es sind Kleinigkeiten wie die Lenkung, die noch verbessert werden muss. Auch die Reaktionszeit. Zudem waren wir 2014 mit einem Basisdämpfer unterwegs, den wir für jede Rallye eingestellt haben. Aber im Großen und Ganzen waren wir Plus/Minus bei jeder Rallye mit den gleichen Einstellungen unterwegs. Das alles, oder auch fehlende Teile, werden beim neuen Auto vor Ort sein und sofort funktionieren.

Bei der Rallye Deutschland holte Thierry Neuville seinen ersten Sieg in der WRCFoto: Sutton

Du hast zu Beginn selbst schon deinen Sieg in Deutschland angesprochen. Doch auch diesem ging ein großer Patzer voraus. Blickst du auch selbstkritisch auf einige Fehler in der Saison zurück?
Thierry Neuville: In Monte Carlo ist mir auf jeden Fall ein Fehler unterlaufen. Aber Deutschland im Shakedown war halb so wild. Es war ein kleiner Fehler mit großen Konsequenzen - damit muss man leben. Die meisten Probleme entstanden, weil das Fahrzeug neu war. Es waren nur kleine Patzer oder ein getroffener Stein und das führte dann oft zum Ausfall - das hätte nicht sein dürfen. Ansonsten bin ich mit meiner Saison recht zufrieden, wobei ich natürlich immer selbstkritisch bin und versuche, mich in allen Belangen zu verbessern.

Du warst 2014 mehr oder weniger ein Einzelkämpfer bei Hyundai. Wie schwierig war es, sich mit den wechselnden Teamkollegen nie richtig austauschen zu können?
Thierry Neuville: Das hat sich im Laufe der Saison deutlich gezeigt. Es war recht schwierig und ich habe mich auch oft darüber beschwert. Ich hatte mit Hayden Paddon, Dani Sordo, Bryan Bouffier und Juho Hänninen vier verschiedene Teamkollegen und jeder hat eine andere Arbeitsweise, die zudem noch unterschiedlich zu meiner eigenen ist. Das kann einen schon ein bisschen durcheinanderbringen. Ich habe darum gebeten, dass die Situation 2015 anders aussieht, denn es ist schon eine Hilfe, immer den gleichen Teamkollegen zu haben. Man kann in die gleiche Richtung pushen und versteht sich auch untereinander besser. Sowohl in Sachen Fahrzeug als auch Einstellungen kann man sich im Nachhinein besser austauschen und so gewinnt man auch Zeit.

War das einer der Gründe, warum du gesagt hast, dass du dir Sebastien Ogier als Teamkollegen vorstellen könntest?
Thierry Neuville: Die Frage kam von einem Journalisten und na klar: Jedes Team braucht einen zweiten guten Fahrer, das wäre auch eine Zusatzmotivation für mich. Ich denke, es ist wichtig, dass beide Fahrer ein Team zum Erfolg bringen.

Die Diskussion ist nun ohnehin schon vom Tisch, aber du hättest dir damit den Weltmeister und einen der aktuell stärksten Fahrer der WRC ins Team geholt und damit sogar deinen Nummer-1-Status riskiert.
Thierry Neuville: Nicht unbedingt. Ich habe keine Angst vor Ogier. Ich hatte 2013 in einem Privatteam einige Chancen, ihn zu schlagen. Das ist oft an den Informationen oder dem nötigen Material gescheitert. Damals haben sich auch ein paar Fehler bei mir eingeschlichen, aber wir waren damals bei elf von dreizehn Rallyes im Ziel und sieben Mal auf dem Podest. Wir haben oft gezeigt, dass wir auch mit einem unterlegenen Fahrzeug schneller als er sein konnten. Daher denke ich, dass ich mich auf gleicher Ebene nicht verstecken müsste. Er hat in Sachen Erfahrung noch einen Vorsprung und ist sehr konstant. Aber genau in diesen Bereichen kann ich noch lernen - vor allem von einem starken Fahrer.

Thierry Neuville möchte mit Hyundai zum Überflieger werdenFoto: Sutton

2015 wird es nun eine weitere Änderung in der Startreihenfolge geben. Die ersten beiden Tage einer Rallye wird in Reihenfolge der WM-Wertung gestartet. Wie denkst du über diese Neuerung?
Thierry Neuville: Ich denke, es wird alles noch einmal durcheinanderbringen und interessanter machen. Das Problem ist, dass wir ein Team haben, das allen anderen davonfährt. Wir sind auf dem Weg, uns zu verbessern und haben das klare Ziel, dorthin zu kommen, aber bei M-Sport und Citroen sind die Ziele nicht mehr dieselben. Ich denke, diese Neuerung könnte alles aufmischen und Citroen und M-Sport nochmals nach vorne bringen.

Von vielen Seiten wurde kritisiert, dass diese Regeländerung vom eigentlichen Sportgedanken weggeht, da sie in gewisser Weise unfaire Bedingungen schafft...
Thierry Neuville: Nicht unbedingt. Sebastien Loeb war neun Mal Weltmeister und ist über vier oder fünf Jahre hinweg vorne gefahren und musste die Strecke säubern. Zudem hat der Erste auf der Strecke seinen WM-Verfolger direkt hinter sich und dadurch ist dessen Vorteil nicht viel größer. Klar gibt es ein paar Rallyes wie Mexiko, Sardinien oder vielleicht der Schottertag in Spanien, aber bei den anderen Rallyes macht es keinen großen Unterschied. Bei Regen kann es sogar ein Vorteil sein, daher denke ich, dass es abwechslungsreich und gemischt wird.

Denkst du, dass ein weiteres Jahr der absoluten Volkswagen-Dominanz dem Sport zusätzlich schaden könnte?
Thierry Neuville: Nein, denn Volkswagen macht sehr viel für die Meisterschaft, setzt sich ein und macht viel Werbung. Ich denke, das hilft sehr. Klar ist die Dominanz groß, aber jetzt ist es interessant, weil Jari-Matti auf dem Speedlevel von Ogier ist - zwar ein interner Kampf, aber das hält die Serie trotzdem spannend.

Um die Spannung zu steigern, gab es ja auch Pläne für eine neue Power Stage. Diese wurden abgeschmettert. Wäre dieser Weg aus deiner Sicht interessant gewesen?
Thierry Neuville: Man muss das von zwei Seiten sehen. Einerseits wäre es traurig, die Rallye grob zu verändern, ohne danach die Garantie zu haben, dass die Promotion und die Zuschauerzahlen wirklich besser werden. Andererseits sieht man viele Sportarten, die dem Trend folgen und erfolgreich Änderungen vornehmen. Vielleicht sollte der Rallye-Sport diesen Weg auch gehen.