Pirelli weitet sein Engagement im Motorradsport entschieden aus. Die F1-Ausrüster aus Italien beliefern seit Jahren die Superbike-WM, doch nun geht es auch in die Motorrad-Weltmeisterschaft. Von 2024 bis 2026 haben sie sich den Vertrag für die Moto2- und Moto3-Klassen gesichert. Während am Dienstag nach dem letzten Saisonrennen der MotoGP 2023 beim Valencia-Test das Debüt von Marc Marquez auf Ducati im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, hatte Pirelli tags zuvor bereits seinen wichtigen Test absolviert. Nach einer ersten Bestandsaufnahme im Anschluss an das MotoGP-Wochenende in Barcelona war es erst die zweite Ausfahrt auf den neuen Gummis.

Das Fazit von Pirelli-Motorraddirektor Giorgio Barbier fiel positiv aus. Er sah keine gravierenden Probleme: "Für Moto3 und Moto2 können wir qualitativ hochwertige Reifen liefern. Wir haben 20 Jahre Erfahrung in der Superbike-WM. Wenn man Reifen industriell herstellt, wie wir es tun, hat man keine Probleme. Wenn wir welche hätten, wäre das ein Problem für Tausende von Reifen." Denn es gilt das gleiche Prinzip, wie in der Superbike-WM: "Die Pirelli-Philosophie ist die gleiche wie immer. Wir verkaufen, womit wir Rennen fahren, und wir fahren mit dem, was wir verkaufen. Diese Reifen hätten von jedem unserer lokalen Händler gekauft werden können."

Die Superbike-WM fährt seit zwei Jahrzehnten auf Pirelli-ReifenFoto: Graeme Brown/GeeBee Images

Moto2 mit Superbike-Reifen zu neuem Rundenrekord

In der Moto2 kommt es dabei zu einer einfachen Lösung. Die mittlere Klasse wird denselben Reifen wie die Superbikes fahren. Bis auf einen Faktor war dies kein Problem: "Der einzige Zweifel, den wir hatten, war die vordere Felgenbreite der Moto2-Maschinen, die 3,75 Zoll beträgt, während wir in der WorldSBK 3,5 Zoll verwenden. Aber wir haben gesehen, dass das kein Problem ist. In Zukunft werden wir zweifellos zu 3,5 Zoll zurückkehren, denn diese Motorräder brauchen aufgrund ihrer Leistung und ihres Gewichts keine großen Reifen."

Der Vergleich mit dem Vorjahresausrüster Dunlop konnte sich sehen lassen. Die Testbestzeit von Alonso Lopez lag knapp drei Zehntel unter der Pole-Zeit von Aron Canet am Rennwochenende. Auch Canet selbst unterbot als zweitplatzierter seine Pole-Position. Dabei soll laut Barbier in Zukunft sogar noch mehr drin sein: "Die Motorräder bewegen sich nicht viel. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass die vorherigen Konkurrenten [Dunlop] nicht allzu viele Möglichkeiten für die Abstimmung gegeben haben, aber jetzt erlauben die Reifen mehr."

Die Superbike-Reifen werden auch in der Moto2 zum Einsatz kommenFoto: LAT Images

Das Ergebnis des Moto2-Tests in Valencia

Pos. Fahrer Team Bike Zeit Rückstand
1 Lopez Speed Up Boscoscuro 1:33.061
2 Canet Fantic Kalex 1:33.074 0.013
3 Aldeguer Speed Up Boscoscuro 1:33.151 0.090
4 Gonzalez Gresini Kalex 1:33.270 0.209
5 Arenas Gresini Kalex 1:33.302 0.241
6 Dixon Aspar Kalex 1:33.372 0.311
7 Arbolino Marc VDS Kalex 1:33.383 0.322
8 Escrig Forward Forward 1:33.439 0.378
9 Baltus Fieten Olie Kalex 1:33.451 0.390
10 Chantra Honda Team Asia Kalex 1:33.453 0.392
11 Foggia Italtrans Kalex 1:33.562 0.501
12 Masia SAG Kalex 1:33.587 0.526
13 Agius Intact GP Kalex 1:33.592 0.531
14 Guevara Aspar Kalex 1:33.642 0.581
15 Bendsneyder SAG Kalex 1:33.691 0.630
16 Alcoba Yamaha VR46 Kalex 1:33.709 0.648
17 Salac Marc VDS Kalex 1:33.723 0.662
18 Van den Goorbergh Fieten Olie Kalex 1:33.734 0.673
19 Binder Intact GP Kalex 1:33.825 0.764
20 Garcia MSi Boscoscuro 1:33.871 0.810
21 Ogura MSi Boscoscuro 1:34.116 1.055
22 Vietti Ajo Kalex 1:34.250 1.189
23 Cardelus Fantic Kalex 1:34.343 1.282
24 Moreira Italtrans Kalex 1:34.353 1.292
25 Aji Honda Team Asia Kalex 1:35.234 2.173
26 Sasaki Yamaha VR46 Kalex 1:35.642 2.581
27 Öncü Ajo Kalex 1:35.739 2.678
28 Artigas Forward Forward 1:36.291 3.230

Moto3 Neuland für Pirelli

Während die Moto2 also gut aufgestellt sein sollte, gibt es in der Moto3 mehr Unbekannte. Die alte Pirelli-Strategie der zum Rennen gefahrenen Straßenreifen gilt hier nicht. Deswegen wurden Moto3-Pläne auch schon einmal verworfen: "Vor einigen Jahren hatten wir bereits über die Kategorie nachgedacht und die Reifengrößen für den Einstieg untersucht, aber die Marksituation war nicht gut gewesen."

Der Moto3-Reifen ist eine NeuentwicklungFoto: Red Bull KTM Ajo

Dank des weltweiten Erfolges der Moto3-Formel sieht das nun aber anders aus: "Es gibt verschiedene Meisterschaften für Jugendliche, auf die dann der MiniGP und die verschiedenen Talent Cups führen. Das fängt bei den ganz Jungen an und ist für die Märkte in Asien und Amerika interessant. Die Moto2 hingegen wird nur in der Weltmeisterschaft und in Spanien gefahren, sodass es nicht in Frage kommt, spezielle Reifen für sie herzustellen." Hier kommt also dann der Rennreifen in den Handel für die Straße. So musste sich Pirelli auf unbekanntes Terrain begeben: "Pirelli hat noch nie Prototypenreifen hergestellt. Die Moto3 ist völlig neu für uns."

Doch auch hier scheint Pirelli gute Arbeit geleistet zu haben. Daniel Holgado fuhr eine Bestzeit, die eine Sekunde schneller war als die Pole-Position von Collin Veijer am Rennwochenende. Natürlich sind Testzeiten mit Vorsicht zu genießen, da auch die Strecke an Grip gewinnt. Doch für eine Neukonstruktion war das Ergebnis zufriedenstellend. Das sollte sie auch sein: "Schon in zwei Wochen müssen wir die Reifen für den ersten Grand Prix von 2024 nach Katar verschicken." Nachbessern ist also erst nach ein paar Rennwochenenden möglich.

Das Ergebnis des Moto3-Tests in Valencia

Pos. Fahrer Team Bike Zeit Rückstand
1 Holgado Tech3 KTM 1:37.300
2 Rueda Ajo KTM 1:37.683 0.383
3 Alonso Aspar GASGAS 1:37.975 0.675
4 Fernandez Leopard Honda 1:38.133 0.833
5 Almansa Rivacold Snipers Honda 1:38.149 0.849
6 Bertelle Rivacold Snipers Honda 1:38.178 0.878
7 Veijer Intact GP Husquvarna 1:38.261 0.961
8 Ortola MSi KTM 1:38.266 0.966
9 Piqueras Leopard Honda 1:38.291 0.991
10 Farioli SIC58 Honda 1:38.317 1.017
11 Lunetta SIC58 Honda 1:38.401 1.101
12 Roulstone Tech3 KTM 1:38.511 1.211
13 Munoz BOE KTM 1:38.519 1.219
14 Kelso BOE KTM 1:38.733 1.433
15 O Shea VisionTrack Honda 1:38.814 1.514
16 Yamanaka MSi KTM 1:38.959 1.659
17 Zurutuza Ajo KTM 1:38.996 1.696
18 Furusato Honda Team Asia Honda 1:39.077 1.777
19 Carraro MTA KTM 1:39.267 1.967
20 Esteban Aspar GASGAS 1:39.402 2.102
21 Dettwiler CIP KTM 1:39.504 2.204
22 Buasri Honda Team Asia Honda 1:39.591 2.291
23 Suzuki Intact GP Husquvarna 1:39.705 2.405

Bestzeiten sagen aber natürlich nichts über die Haltbarkeit der Reifen aus. Einen Defekt gab es jedenfalls nicht zu berichten. Die Saison wird dennoch einige Überraschungen für Pirelli bereithalten: "Der März [in Katar] unterscheidet sich in Bezug auf die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit sehr vom November, genauso wie das Wetter in Australien für die Superbike im Februar sehr anders als im Oktober ist, wenn die MotoGP kommt." Dazu kommen komplett neue Strecken wie etwa Austin oder auch Termas in Argentinien, wo die Superbike-WM noch nie gefahren ist. Trotzdem will der italienische Reifenhersteller nicht auf Nummer sicher gehen. Performance soll her. Das Ziel für die Reifen am jeweiligen Wochenende ist daher einfach formuliert: "Die weichste Mischung zu verwenden, die bis zum Ende des Rennens hält."