Mitch Evans ist in einem denkwürdigen Sao Paulo ePrix praktisch zum Sieg geschlichen! In einer wahren Strategie-Schlacht setzte sich der Jaguar-Pilot in einem packenden Schluss-Finish durch und überquerte die Ziellinie vor Nick Cassidy (Envision) sowie Sam Bird im zweiten Jaguar-Werksauto - der erste Sieg für den britischen Autobauer in der Saison 2023 sowie der siebte in Evans' Formel-E-Karriere.

Es war ein verrückter Rennverlauf bei der Premiere in Brasilien: Die Taktik spielte die alles entscheidende Rolle auf dem 2,9 Kilometer Stadtkurs mit seinen vier langen Geraden. Wie es Formel-E-Experten schon im Vorfeld erwartet hatten, war der Windschatten-Effekt derart entscheidend für das Energie-Management, dass zunächst kein Fahrer das Rennen anführen wollte!

Spannender Schluss nach Schleichfahrt

Die Spitze wechselte sich im Rennen, das durch zwei Safety-Car-Phasen unterbrochen wurde, mehrfach ab - teilweise winkten sich die Fahrer praktisch kampflos aneinander vorbei! Erst im letzten Renndrittel wurde es richtig spannend, als die Fahrer mit besserem Energie-Management um die Positionen kämpften.

Der von Platz drei gestartete Neuseeländer Evans machte es am besten, verteidigte sich tapfer durch die letzten Kurven des 35 Runden dauernden Rennens und bugsierte seinen Jaguar mit 0 Prozent verbleibender Rest-Energie über den Zielstrich. Cassidy erzielte knapp dahinter seinen dritten Podestplatz in der laufenden Saison für das Jaguar-Kundenteam Envision, dessen Motoren alle drei Plätze auf dem Podium belegten.

Kuriose Formel-E-Premiere in Sao PauloFoto: LAT Images

Porsche verpasst Podestplatz in Sao Paulo

Porsche-Fahrer Antonio Felix da Costa verpasste von Startplatz zwei seinen zweiten Sieg in Folge und belegte am Ende den vierten Platz. Der Portugiese konnte sich lange gute Chancen ausrechnen, bis er spät im Rennen den Bremspunkt in der ersten Kurve verpasste und zurückfiel. Felix da Costa: "Bis dahin war es die perfekte Strategie, aber dann habe ich einen Fehler gemacht. Es tut mir leid fürs Team! Irgendwie bin ich happy, wie wir performen. Aber ich ärgere mich über meinen Fehler. Der hat uns ein Podium und vielleicht den Sieg gekostet."

Dahinter folgten die beiden DS Penske von Jean-Eric Vergne und Pole-Setter Stoffel Vandoorne, dem amtierenden Weltmeister, auf den Positionen fünf und sechs.

Pascal Wehrlein legte von Startplatz 18 eine riesige Aufholjagd hin und wurde mit Punkten für den siebten Platz belohnt. Der Porsche-Werksfahrer führt die Gesamtwertung in der Formel E weiter an, während Verfolger Jake Dennis (Andretti) vorzeitig ausfiel. Der Sao Paulo ePrix erlebte insgesamt fünf Ausfälle. "Schadensbegrenzung", meinte Wehrlein. "Leider ist mir Jake Dennis reingefahren. Das hat wehgetan, weil ich danach nicht mehr pushen konnte und Pace verloren habe."

Rast in den Punkterängen

Jake Hughes, McLaren-Teamkollege Rene Rast und Sebastien Buemi (Envision) komplettierten die Top-10. "Ein ganz schwieriges Rennen", fand der dreifache DTM-Champion. "Durch diesen Ziehharmonika-Effekt ist es schwierig, dem Vordermann nicht reinzufahren, gleichzeitig aber auch nicht überholt zu werden. Heute waren wir etwas chancenlos."

Maximilian Günther (Maserati) verpasste seine ersten Punkte in der laufenden Saison als Elfter knapp. Der vierte Deutsche im Bunde, Andre Lotterer (Andretti) belegte Platz zwölf.

Formel E 2023: Es geht nach Berlin

Nach sechs Übersee-Rennen im ersten Saisondrittel steht die Formel E vor ihren ersten ePrix in Europa. Den Auftakt macht der Double-Header in Berlin-Tempelhof am 22./23. April 2023. In der deutschen Hauptstadt ist die Elektro-Rennserie seit ihrer Debütsaison jährlich zu Gast - ein Alleinstellungsmerkmal in der Geschichte der Formel E.

Formel E: So lief der Sao Paulo ePrix 2023

Die Startaufstellung: Stoffel Vandoorne eroberte seine erste Pole Position in der laufenden Saison und setzte sich im Qualifying-Finale gegen Kapstadt-Sieger Antonio Felix da Costa durch. Porsche-Teamkollege Pascal Wehrlein kam inklusive einer 3-Platz-Gridstrafe nicht über den 18. Startplatz hinaus. Mitch Evans und Edoardo Mortara teilten sich die zweite Startreihe. Bestplatzierter Deutscher war Maximilian Günther, der nach einer 3-Platz-Strafe von P9 ins Rennen ging. Rene Rast und Andre Lotterer starteten von den Positionen 11 und 21.

Der Start: Pole-Setter Stoffel Vandoorne verteidigte den ersten Startplatz souverän vor Antonio Felix da Costa und Mitch Evans durch die engen ersten Kurven. Der von P4 gestartete Edoardo Mortara wurde früh in eine Kollision verwickelt und fiel bis ans Ende des Feldes zurück. Zeitgleich war für Norman Nato (von P8) nach einem Auffahrunfall mit Jake Hughes vorzeitig Feierabend. Andre Lotterer musste sich an der Box einen neuen Frontflügel abholen. Rene Rast verbesserte sich um drei Positionen bis auf P8, auch Pascal Wehrlein gelang von Startplatz 18 ein starker Auftakt vor bis auf die zehnte Position. Maximilian Günther stand früh unter Beobachtung der Rennleitung, weil er in Turn 4 die Strecke abgekürzt hatte und beinahe mit Sebastien Buemi zusammengerasselt wäre. Später kassierte er eine 5-Sekunden-Zeitstrafe.

Die erste Rennhälfte: Spitzenreiter Vandoorne aktivierte schon in der 4. Runde seinen ersten Attack Mode (1 Minute) und fiel auf den zweiten Platz hinter Felix da Costa zurück. Der Porsche-Pilot nahm wenig später offenbar absichtlich leicht den Fuß vom Gas und ließ Vandoorne wieder passieren. Wenig später fiel Felix da Costa hinter Evans und Cassidy auf den vierten Platz zurück. In Runde 6 rollte Sacha Fenestraz mit seinem Nissan auf der Strecke aus - das löste eine Safety-Car-Phase aus.

Zur 12. Runde gab die Rennleitung das Rennen wieder frei. In Runde 13 gaste Felix da Costa an, überholte erst Evans und dann Cassidy, um den zweiten Platz zurückzuerobern. Cassidy ging in Runde 14 an Evans vorbei und wurde dann von Vandoorne und Felix da Costa zur Führung durchgewunken! Der Envision-Pilot nahm dankend an und aktivierte sofort seinen Attack Mode. Eine völlig kuriose Situation mit Fahrern, die alles dafür taten, Energie zu sparen!

In Runde 15 fiel der WM-Gesamtzweite Jake Dennis in Folge einer Kollision mit Dan Ticktum aus. Dabei wurde Dennis auch noch leicht in Wehrlein geschoben. Mit etwas Verzögerung ordnete die Rennleitung eine weitere Safety-Car-Phase an, um den ausgefallenen Andretti zu bergen.

Nach dem Re-Start zur 19. Runde aktivierten Cassidy und Vandoorne aus dem Spitzenfeld ihren Attack Mode (beide 3 Minuten), sodass Felix da Costa automatisch die Führung übernahm. Einen Umlauf später überfuhren Felix da Costa und Evans die Aktivierungsschleifen, um ihrerseits den Attack Mode zu zünden (beide 3 Minuten). Es blieb ein wildes Wechselspiel an der Spitze!

Der weitere Rennverlauf: Nico Müller fiel nach einer Kollision mit Edo Mortara in Runde 20 vorzeitig aus. Evans (P1), Felix da Costa (P3) (beide no further action), Wehrlein (P5) und Rast (P9) (beide Untersuchung nach Rennende) wurden von der Rennleitung wegen möglicher Überholmanöver unter gelben Flaggen untersucht.

In Runde 25 kürzte Felix da Costa in Kurve 1 ab und fiel vom dritten bis auf den sechsten Platz zurück. Von P4 aktivierte Wehrlein in Runde 26 seinen ersten Attack Mode (3 Minuten) und fiel auf P7 hinter Teamkollege Felix da Costa zurück. Die Rennleitung ordnete wegen der beiden Safety Cars eine Verlängerung um 4 Rennrunden an.

In Runde 29 zündete Wehrlein seinen zweiten Attack Mode (1 Minute), während sich an der Spitze nicht viel tat: Cassidy führte vor Evans, Bird, Vandoorne und Vergne, dahinter die Porsche von Felix da Costa und Wehrlein. Mit seinem leichten Energie-Vorteil übernahm Evans in Runde 31 die Führung. Vandoorne verlor zeitgleich zwei Plätze und fiel auf P6 hinter Felix da Costa und Vergne zurück.

In einem spannenden Schluss-Finish in der letzten Runde verteidigte sich Evans mit 0 Prozent Rest-Energie gegen Verfolger Cassidy durch die letzten Kurven und überquerte die Ziellinie als Erster! Dahinter konnte Bird nicht entscheidend aufschließen und holte den dritten Platz.

Formel E: Ergebnis Sao Paulo ePrix 2023

Position Fahrer Team Abstand
1 Mitch Evans Jaguar
2 Nick Cassidy Envision +0.284
3 Sam Bird Jaguar +0.507
4 Antonio Felix da Costa Porsche +3.487
5 Jean-Eric Vergne DS Penske +4.042
6 Stoffel Vandoorne DS Penske +4.576
7 Pascal Wehrlein Porsche +5.659
8 Jake Hughes McLaren +6.141
9 Rene Rast McLaren +7.403
10 Sebastien Buemi Envision +7.976
11 Maximilian Günther Maserati +15.192
12 Andre Lotterer Avalanche Andretti +15.345
13 Lucas di Grassi Mahindra +19.247
14 Robin Frijns Abt-Cupra +20.751
15 Oliver Rowland Mahindra +21.465
16 Sergio Sette Camara NIO 333 +31.514
17 Dan Ticktum NIO 333 +34.398
DNF Nico Müller Abt-Cupra Ausfall
DNF Edoardo Mortara Maserati Ausfall
DNF Jake Dennis Andretti Ausfall
DNF Sacha Fenestraz Nissan Ausfall
DNF Norman Nato Nissan Ausfall