Das Saisonfinale der Formel 1 in Abu Dhabi war an der Spitze eine eindeutige Angelegenheit. Max Verstappen war auf eine Runde schneller als der Rest, er dominierte den Shortrun und den Longrun. Kurz und knapp: Verstappen war an diesem Wochenende nicht einholbar - weder von seinem Teamkollegen noch von Ferrari oder dem Rest des Feldes.

In der Rennanalyse zum Grand Prix in Abu Dhabi konzentrieren wir uns deshalb auf den Kampf dahinter. Charles Leclerc duellierte sich nicht nur auf dem Yas Marina Circuit mit Sergio Perez um Platz 2, sondern machte sich mit ihm auch den Vize-Weltmeistertitel in der Formel 1 aus. Der Monegasse hatte das bessere Ende für sich. Einerseits weil der Ferrari F1-75 diesmal gnädig mit den Reifen umging, andererseits weil die Scuderia strategisch alles richtig machte.

Formel 1 Abu Dhabi: Perez verheizt Pirelli-Reifen

Perez muss sich hingegen auch an die eigene Nase fassen. Ein Hauptgrund für die Niederlage des Red-Bull-Piloten war nämlich seine Pace zu Rennbeginn. Auf den ersten Runden konnte der Mexikaner mit Verstappen mithalten. Das kostete ihm allerdings seine Pirellis. "Perez hat nach dem Start seinen Reifensatz relativ früh verheizt", analysierte Red-Bull-Motorsportchef Dr. Helmut Marko.

Das kam Perez teuer zu stehen. Bis zur achten Runde hatte er sich einen Vorsprung von 3,1 Sekunden gegen Leclerc aufgebaut, anschließend drehte sich der Wind. Der Ferrari-Mann konnte von Runde 9 an bessere Zeiten fahren als Perez, dessen Performance schnell einbrach. Leclerc fuhr in dieser Rennphase über eine halbe Sekunde schneller - Tendenz steigend. Als der Ferrari-Pilot in Runde 15 ins DRS-Fenster kam, zogen die Bullen die Reißleine und holten Perez an die Box.

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"Da wir stoppen mussten, waren wir asynchron zu Verstappen und Leclerc", erklärte Horner das Problem dieses frühen Stopps. Damit war Red Bull auf eine 2-Stopp-Strategie angewiesen. Denn über 40 Runden auf Hards waren unter den heißen Bedingungen auf der Yas-Insel nicht möglich. Gleichzeitig machte es das Team Perez auch nicht leichter. Mit 5,3 Sekunden dauerte der Reifenwechsel lange, Perez kam im Verkehr hinter Alonso wieder auf die Strecke.

Erst verlor er beim Überholmanöver gegen den Spanier in Kurve 8 durch einen Verbremser wertvolle Zeit, dann ging wenige Meter später auch noch Sebastian Vettel an ihm vorbei. Erst einen Umlauf später konnte sich Perez gegen den Aston-Martin-Piloten durchsetzen. Zu diesem Zeitpunkt wäre das Zeitfenster zwischen Perez und Leclerc wahrscheinlich sogar für einen Boxenstopp ausreichend gewesen.

Sergio Perez: Verstappen war im Weg

Doch die Scuderia entschied sich gegen den Stopp und verlängerte den ersten Stint bis in Runde 21. Dadurch hielt man sich alle Optionen offen: Sowohl mit zwei Stopps als auch über eine 1-Stopp-Strategie befand sich das Ziel in Reichweite. "Wir waren bei beiden Fahrern mit der Strategie flexibel, da wir wussten dass das Rennen zwischen einem und zwei Stopps liegt und alles davon abhängt, ob man die Reifen sparen kann oder nicht", erklärte Teamchef Mattia Binotto.

Im zweiten Stint wiederholte sich das Spiel noch einmal: Leclerc schloss rapide zu seinem WM-Kontrahenten auf. Der hatte aber ein Problem und das hieß Max Verstappen. Der Niederländer kam nach seinem Stopp knapp vor seinem Red-Bull-Teamkollegen auf die Strecke. "Ich war hinter Max, der auf einer 1-Stopp-Strategie unterwegs war und konnte so in diesem Stint nicht alles herausholen. Ich konnte nicht so pushen wie geplant", so Perez.

Fake-Boxenstopp von Ferrari lockt Red Bull an die Box

Mit dem heraneilenden Leclerc drohte erneut ein Positionswechsel auf der Strecke. Die Mannschaft aus Maranello griff anschließend tief in die Trickkiste und gab Leclerc die Anweisung an die Box zu kommen, falls Perez draußen bleibt. Der Plan von Ferrari sah aber nie vor, Leclerc reinzuholen. Red Bull reagierte auf den drohenden Undercut und holte Perez an die Box.

Einerseits als Reaktion auf Ferrari wie Red-Bull-Teamchef Christian Horner zugab, andererseits weil der Zeitpunkt sowieso für einen Reifenwechsel auf die Hard-Reifen wie geschaffen war. "Anstatt gegen Ende des Stints leichte Beute zu sein, entschieden wir uns anzugreifen", erklärte Teamchef Christian Horner den Stopp.

Ferraris 1-Stopp geht auf: Reifenflüsterer Leclerc

Entgegen den Kalkulationen von Red Bull musste Leclerc aber nicht noch einmal an die Box abbiegen. Stattdessen konservierte er auf den letzten 37 Runden mit konstanten Zeiten im 1:29er- und 1:30er-Bereich seine Reifen. Marko fasste es zusammen: "Sainz hat das erfüllt, was wir erwartet haben. Nur Leclerc hat sich nicht daran gehalten."

In der Formel-1-Saison 2022 war der Longrun immer die Achillesferse der Roten gewesen, doch in Abu Dhabi kündigten die Italiener schon nach dem Qualifying am Samstag an, dass sie mit ihrem Setup vor allem auf das Rennen abzielten. Eine Entscheidung, die sich offenbar auszahlte.

Bei Ferrari feierte man sich dank der gelungenen Strategie: "Der Pseudo-Boxenstopp gegen Red Bull war die richtige Entscheidung", freute sich Binotto. Auf den letzten 20 Rennrunden war Perez der Jäger und Leclerc der Gejagte. Mit durchschnittlich acht Zehntel Guthaben flog er an Leclerc heran. Dieser rettete aber 1,3 Sekunden Vorsprung über die Linie.

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Ein Rückstand, der auch aufgrund von Verkehr zustande kam. In der 45. Rennrunde wurde Perez nach einem ursprünglich erfolgreichen Manöver in der zweiten DRS-Zone von Lewis Hamilton ausgekontert. Erst eine Runde später fand Perez einen Weg an dem Briten vorbei. In Summe kostete dieser Schlagabtausch Perez etwa eine Sekunde und war damit möglicherweise das Zünglein an der Waage im Kampf um den zweiten Platz in der Formel-1-WM.