Alpine reiste mit dem größten Update der Saison zum 17. Saisonrennen nach Singapur. Ein neuer Unterboden für den A522, mehr Abrieb für mehr Performance. "Das wird ein Riesenspaß!", war die Vorfreude von Alan Permane groß. Ein großes Update für die Schlussetappe im heftig umkämpften Mittelfeld.

Nachschub für die Materialschlacht gegen McLaren

"Ohne Nachschub ist keine Armee tapfer", wusste schon Friedrich II. der Große. Wie Erzrivale McLaren kam Alpine mit einem größeren Update-Paket nach Singapur. Beim französischen Team sogar für beide Piloten. Bei McLaren bekam Daniel Ricciardo die nächste Ausbaustufe des MCL36 (termin- und geldbedingt) erst ein Rennen später in Suzuka. "Optisch unterscheidet er sich nicht sehr von der vorherigen Version", so Pat Fry über den neuen Unterboden. Neu geformte Leitbleche und Kanten für ein besseres Vortex-Management. "Er sollte aber mehr Leistung bringen."

Alpine vs. McLaren: Wer holt sich die Vorherrschaft im Mittelfeld?Foto: LAT Images

Während des Singapur-Wochenende wurde klar: Der neue Unterboden funktioniert. Laut Fernando Alonso sogar mit einem Zeitgewinn von etwa einem Zehntel pro Runde. "Es ist sogar mehr, als Fernando meint. Der Unterboden verhält sich sehr gut", verrät Matt Harman. 0,25 Sekunden pro Runde sollen es sein. Der technische Direktor bei Alpine bedauert jedoch: "Es wäre schön, wenn wir es noch mehr ausnutzen hätten können."

Alpine: Singapur Flop, Suzuka Top

Denn: Im Rennen passierte der Super-Gau. Null Punkte für Alpine, McLaren scorte hingegen aufgrund eines Strategie-Coups 22 Zähler. Fernando Alonso und Esteban Ocon mussten ihr Auto abstellen, bei beiden Ausfällen war der Motor der Schuldige. Der vierte technische Ausfall für Alonso: "Schon wieder. Ich glaube, wir haben dieses Jahr schon 50 Punkte mit technischen Problemen liegen gelassen. Jetzt können wir zehn addieren, also sind wir schon 60 im Minus."

Alpine stand in Singapur ziemlich im RegenFoto: LAT Images

Eigentlich ist P9 in der Fahrwertung einem Fernando Alonso nicht würdig. Quelle? Er selbst: "Wenn du 60 Punkte auf meinen Punktstand addierst, wären wir jetzt glaube ich in einer ganz anderen Liga." Der erste Test des neuen Unterbodens, fehlgeschlagen. "Ich denke trotzdem, es ist ein Schritt nach vorn. Und wir brauchen jeden Schritt, den das Team in diesem Kampf mit McLaren machen kann", so Alonsos Fazit nach dem ersten Wochenende mit dem Upgrade. Vielversprechend, aber keine Punkte. Neuer Versuch in Suzuka.

Spoiler Alert: In Japan sahen Zuseher nach zwei Stunden verspätetem Rennstart einen starken A522, der sich mit Mercedes statt McLaren schon einen stärkeren Gegner suchen musste. Mit P4 (Ocon) und P7 (Alonso) und einem Punkteverhältnis von 18:1 zu McLaren holte sich Alpine den vierten Platz in der Konstrukteurswertung zurück.

Alpine mit alternativer Update-Strategie

Der neue Unterboden soll für die gesamte restliche Saison Performance-Vorteile bringen. Und nebenbei Erkenntnisse für 2023 sammeln. "Das Update ist nicht nur für die eigentliche Rundenzeit gut, sondern eröffnet für uns neue Möglichkeiten und Konzepte am Auto", erklärt Matt Harman. Und spoilert: "Das wird aber nicht unser letztes Update für diese Saison bleiben. Ein paar kleine Dinge kommen noch."

Alpine unterscheidet sich in ihrer Update-Strategie von den meisten anderen Teams am Grid. "Wir bringen eigentlich jedes Rennen kleinere Weiterentwicklungen. Aber die Kosten dieser variieren ziemlich stark", berichtet Harman. "Man muss hier sorgfältig die Balance halten." Riesige Update-Pakete, à la Aston Martin oder McLaren werden bei Alpine vergeblich gesucht.

Der neue Unterboden funktionierte in Singapur, der Renault-Motor nichtFoto: LAT Images

"Mit unserem Auto und unserer Infrastruktur macht es so für uns mehr Sinn", erklärt der technische Direktor. Alpine sei sehr sorgsam und wählerisch beim Thema Updates. "Eine unserer Stärken ist es, gute Entscheidungen zu treffen. Zu Beginn haben wir uns für ein sehr gutes Autokonzept entschieden. Dadurch haben wir ein größeres Entwicklungsbudget zur Verfügung."

AT522: Der Spielplatz für Aerodynamiker, nicht Kinder

"Bei uns ist das Grundgerüst des Autos sehr stark. Und so designt, dass es den Aerodynamikern maximalen Spielraum verschafft." Alpine sei zudem in der glücklichen Lage, dass Windtunnel und Realität nah beieinander liegen. "Die Korrelation zwischen Auto und Windtunnel ist ziemlich gut. Da ist kein großer Unterschied", führt Harman weiter aus. Vielleicht hat er ein paar Tipps für Mercedes übrig, die genau damit 2022 kämpfen.

Matt Harman ist stolz auf seine Ingenieurs-Truppe: Alle gebrachten Updates funktionierenFoto: LAT Images

Ein gutes Ursprungskonzept ihres Formel-1-Boliden als Schlüssel zum Erfolg. "Wir haben eine sehr klare Vorstellung davon, wo wir mit unserem Konzept hinwollen. Das erleichtert uns das Treffen von Entscheidungen", weiß Harman. "Wenn du herumirrst, tust du dir schwer dein Entwicklungsbudget sinnvoll einzusetzen!"

Alpines Strategie im Cost Cap: Vorsicht walten lassen

"Die Zeiten, wo du speziell für Monza einen Flügel gebracht hast, sind vorbei. Aufgerechnet zahlt sich das einfach nicht aus", berichtet der ehemalige Mercedes-Ingenieur. "Wir versuchen unser Auto für verschiedene Rennen richtig zu positionieren. So kommen wir mit dem Cost Cap nicht in Bedrängnis."

Das Thema Cost Cap ist allpräsent. "Wir können uns nicht leisten, etwas ans Auto zu bringen, was nicht gut funktioniert. Das haben wir bisher auch nicht." Vier bis fünf Mal habe Alpine schon Kleinigkeiten am gleichzeitig sehr für die Performance wichtigen und sehr sensiblen Unterboden verändert. Immer mit Erfolg. "Der Unterboden funktioniert wie erwartet. Ein ziemlich großes Upgrade wie dieses macht manchmal Probleme, aber das hat es nicht", freut sich Harman.

Alpine sammelt alle Teile für das Erfolgs-Puzzle

"Wir sind sehr heikel mit unseren Entscheidungen, welche Updates wir bringen", erzählt der ehemalige Mercedes-Mitarbeiter. Das sei eine gute Sache. "Das zwingt uns dazu, zu besseren Ingenieuren zu werden. Und wir müssen immer sicherstellen, dass wir Performance abliefern."

Abseits der Aerodynamik agieren die Mannen von Otmar Szafnauer ebenfalls gern vorsichtig. Zu groß das Risiko bei sehr teuren, mechanischen Updates. "Trotzdem versuchen wir, zum Beispiel beim Motor Verbesserungen zu finden." Um nicht wie in Singapur beide Piloten durch Motorschäden zu verlieren. Die Ingenieure in Viry verbesserten den Renault-Motor über den letzten Winter sehr in Punkto Leistung, das letzte Puzzleteil Zuverlässigkeit ist in Arbeit. Dann: Unterboden, Fahrer, Flügel, Motor - alles bereit für die letzte Schlacht im Mittelfeld.