Nicholas Latifi macht sich auf seiner Abschiedstournee in der Formel 1 bisher keine Freunde: In Singapur quetschte er Zhou Guanyu gegen die Betonmauer und beendete sein und das Rennen des Alfa-Romeo-Piloten schon in Runde sieben. Zhou war stinksauer, Latifi erhielt für Suzuka eine Grid-Strafe. Urteil der Stewards: Überwiegende Schuld für Latifi, er hätte seine normale Rennlinie nicht beibehalten dürfen. Der Kanadier akzeptiert das Urteil, hätte sich aber zumindest einen gerechten Gerichtsprozess gewünscht.

Latifi als Täter ohne Anwalt

"Im Media Pen hatte ich den Unfall noch nicht gesehen, deshalb war es zuerst schwierig zu kommentieren", meint Nicholas Latifi. Aus diesem Grund habe er sich auch zu Beginn vehement verteidigt. "Jetzt habe ich alle Onboards gesehen. Wenn man streng nach Regelbuch vorgeht, ist es klar, dass ich ihm nicht genug Platz gelassen habe." So Latifis Geständnis. Kritisiert aber die Vorgehensweise der Stewards.

Ein Foto, kurz vor dem Desaster aufgenommenFoto: LAT Images

Nicholas Latifi hätte sich gerne selbst gegen die Anschuldigungen verteidigt. "Da wurden leider einige Dinge nicht berücksichtigt." So stand der Kanadier vor vollendeten Tatsachen. "Das ist frustrierend. Ich hatte nicht einmal die Chance, mit den Stewards zu reden", so Latifi. Die Rennkommissare hätten seine Sicht auf den Unfall komplett ignoriert. "Normalerweise ist das anders, wenn so ein Vorfall zwischen zwei Piloten passiert." Stimmt. In der Regel werden bei so einer Kollision beide Seiten angehört (bei einem Ausfall beider Piloten). Dann erst die Entscheidung der Stewards. Wenn beide Piloten weiterfahren können, wird logischerweise niemand über Funk zum Vorfall befragt.

Latifi: Alle Fahrer wissen, dass man dort nicht gesehen wird!

"Ich war auf der gleichen Linie wie immer und natürlich habe ich in den Spiegel geschaut. Sogar in beide Richtungen, das sieht man auch auf den Onboards", startet Latifi sein Verteidigungsplädoyer. "Wir waren auf unterschiedlichen Linien, er [Zhou] genau in meinem toten Winkel. Den ganzen Weg bis zur Kurve. Alle Fahrer wissen, dass man dort leicht übersehen wird." Trotzdem sei Zhou genau dort gefahren. "Und das auf einem Stadtkurs, auf nasser Strecke", verweist Latifi auf die schwierigen Bedingungen im Rennen.

Zhou kritisierte Latifi nach dem Rennen scharf: "Es ist keine Entschuldigung, ob er mich gesehen hat oder nicht. Da musst du besser aufpassen." Der Kanadier müsse eben öfters in die Spiegel schauen. Für die Stewards war die Schuld auch klar verteilt, fünf Plätze geht es für Latifi in der Startaufstellung zurück, als Draufgabe zwei Punkte im Strafenregister. Die Rückversetzung ist aber auch nicht das Problem des (noch) Formel-1-Fahrers.

Latifi: Viel Gerede, keine Taten

"Wenn ich trotz der Schilderung meiner Sicht auf den Unfall bestraft worden wäre, hätte ich das natürlich akzeptiert", meint Nicholas Latifi. "Aber es war sehr schade, dass ich nicht einmal die Gelegenheit dazu hatte." Der Williams-Pilot sieht Verbesserungspotenzial bei der FIA. "Wir reden die ganze Zeit über Beständigkeit bei Entscheidungen und Strafen." Beständig ist zumindest der Rennleiter: Wie in Singapur hält Eduardo Freitas in Suzuka die Zügel in der Hand.

Das Rennen am Sonntag ist (vermutlich) gleichzeitig Nicholas Latifis erstes und letztes Formel-1-Rennen in Japan. "Stand jetzt schaue ich mir alle Optionen an. Ich schließe nichts aus, deswegen kann ich jetzt nicht viel dazu sagen", gibt sich Latifi etwas mysteriös in seinen Zukunftsplanungen.

Zurück in die Gegenwart. "Das ist eines meiner Lieblingsrennen. Selbst vor Ort zu sein ist natürlich sehr anders, als das Rennen im Fernsehen anzusehen", freut sich Latifi. Mit seiner Startplatzstrafe könnte ein würdiges Debüt am Suzuka International Racing Course schwierig werden. Aber 'Goatifi' bleibt optimistisch: "Ich hoffe nur, dass es nicht wieder so viel regnet!"