Die Formel 1 befindet sich in der Saison 2022 in der Sommerpause. Grund genug für Motorsport-Magazin.com, die erste Saisonhälfte der einzelnen Teams genauer unter die Lupe zu nehmen. Heute: Alfa Romeo, und die Frage: Was kann das Schweizer Team im Mittelfeld ausrichten?

Ziel vs. Realität:
Frederic Vasseur startete ohne Ziele in die neue Formel-1-Saison: Kein zusätzlicher Druck für das Team und seine zwei neuen Piloten. Mit Valtteri Bottas und Zhou Guanyu startete Alfa Romeo die Saison 2022 nicht nur mit einem komplett neuen Auto. Nach durchwachsenen Leistungen von Kimi Räikkönen und Antonio Giovinazzi im Vorjahr, sah die Alfa-Romeo-Chefetage die Mischung aus Erfahrung und einem Rookie als Erfolgsrezept.

Weniger Ferrari, mehr Alfa Romeo

Mit dem C42 übernahm das Team aus Hinwil erstmals nicht Getriebe und Aufhängung von Ferrari, und setzte stattdessen auf Marke Eigenbau. Mehr Flexibilität durch eigene Entwürfe erhoffte sich Alfa Romeo dadurch, als Bonus sparte das Team Geld. Mit Erfolg: Nach 13 von 22 Rennen sammelte Sauber mit 51 Punkten schon mehr als 2020 und 2021 zusammen. Größtes Sorgenkind ist nach wie vor die Zuverlässigkeit. Insgesamt acht Ausfälle zerstörten so einige Rennen in den Punkten liegend. Der Haupttäter schien mit dem Ferrari-Motor schnell gefunden.

Entwicklung:
Alfa Romeo hatte einen sehr guten Start in die Saison 2022. Mit neuen Piloten wollte das Team aus Hinwil einen Neustart wagen, und das tat es: 31 Punkte allein aus den ersten 5 Rennen. Dabei profitierte Sauber vor allem vom Gewichtsvorteil gegenüber den anderen Teams. Alle übrigen neun Rennställe reisten mit Übergewicht zum Saisonauftakt nach Bahrain, einzig Alfa Romeo operierte genau am Limit. Und niedrigeres Gewicht ist gleichzusetzen mit niedrigeren Rundenzeiten.

Vor allem zu Beginn ein markanter Vorteil, ehe sich das Niveau zur Saisonhälfte ausbalancierte. Chefingenieur Xevi Pujolar bereut es, dass sein Team zu Beginn nicht noch mehr Punkte einfahren konnte: "Mittlerweile wird mehr oder weniger die gesamte Top-10 von den Top-Teams geblockt." Schlecht: Vor allem Rookie Zhou profitierte kaum vom leichteren C42. Noch schlechter: Zwischenzeitlich wollte es gar nicht für Alfa Romeo laufen, die letzte Punkteplatzierung war in Kanada. Gut: Keiner der direkten Konkurrenten konnte eine ähnliche Punkteserie wie Valtteri Bottas hinlegen. In der Konstrukteurswertung änderte sich so nichts für Alfa Romeo, das Team geht mit einem starken sechsten Platz in die Sommerpause.

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Sauber: Manchmal top, manchmal flop

Der Höhepunkt: Kanada
Die beste Platzierung der Saison mit P7 für Valtteri Bottas und P8 für Guanyu Zhou, 10 Punkte auf einen Schlag für Alfa Romeo. In Imola erzielte Bottas zwar noch mehr Punkte (12), aber erstens war es ein Sprintwochenende und zweitens waren in Montreal endlich wieder beide Fahrer in den Punkten. Zhou beendete damit eine Negativ-Serie von sieben punktelosen Rennen. "Endlich bin ich ins Ziel gekommen, und in den Punkten", vermeldete der Alfa-Romeo-Pilot nach dem besten Ergebnis seiner Formel-1-Karriere. Auch Bottas war nach einem enttäuschenden Wochenende in Baku wieder in der Erfolgsspur, der Finne fühlte sich im Renntrimm sogar den Alpine ebenbürtig.

Der Tiefpunkt: Silverstone
"Das Halo hat mein Leben gerettet", vermeldete Guanyu Zhou nach seinem Horror-Crash in Silverstone. Auch Teamchef Frederic Vasseur gab sich wortkarg, aber erleichtert: "Es war so ziemlich einer der größten Einschläge, die ich in meinem Leben gesehen habe." Zhou überstand seinen Unfall größtenteils unbeschadet, im Gegensatz zu seinem Formel-1-Boliden. Vor allem in Zeiten des Budget-Caps, an dem auch Alfa Romeo operiert, ein teurer Spaß. Als Draufgabe geriet das Team wegen seines Überrollbügel-Designs ins Schussfeuer der FIA. Sauber wählte hier um Gewicht zu sparen einen anderen Ansatz als die Konkurrenz. Als Valtteri Bottas nach 20 Runden auch noch wegen eines Getriebeschadens ausfiel, war das (Albtraum-)Wochenende perfekt.

Bottas der Herr im Haus, Zhou der Lehrling

Valtteri Bottas:
Weg von Mercedes, hin zu Alfa Romeo: Für die meisten nicht unbedingt ein erstrebenswerter Wechsel. Valtteri Bottas bewies aber seinen Kritikern ("and to whom it may concern") das Gegenteil und fühlt sich in seiner neuen Rolle als Teamleader sichtlich wohl. Vor allem zu Saisonbeginn hatte der Finne einen imposanten Erfolgslauf und fuhr in den ersten sieben Rennen sechsmal unter die ersten Acht. In Saudi-Arabien konnte ihn nur ein defektes Kühlsystem aufhalten. Insgesamt befinden sich zur Sommerpause 46 Punkte auf dem Konto des ehemaligen Mercedes-Piloten. Bessere Platzierungen als sein Ex-Team waren zudem Balsam für die finnische Seele. Geplagt von technischen Defekten hätten es eigentlich noch mehr Punkte sein müssen. Aber: Seine letzte Top-10-Platzierung erzielte Bottas als Siebter in Kanada. Seitdem gab es kein sauberes Wochenende mehr für Bottas und auch keine Punkte.

Kurzer Tratsch unter ehemaligen TeamkollegenFoto: LAT Images

Durchschnittsnote MSM-Fahrerranking: 2,56

Zhou Guanyu:
Der erste Chinese in der Formel 1 sammelte bei seinem Debüt gleich seine ersten Punkte. Ein zehnter Platz in Bahrain sorgte für einen guten Start, Zhou konnte den Aufwind aber nur begrenzt nutzen. Dem Debüt-Punkt kamen nur mehr vier Punkte als Achter in Kanada hinzu. Aber: Die Leistungen Zhous waren für einen Rookie durchaus in Ordnung, oft versemmelten ihm technischen Gebrechen die Chance auf Punkte. Vor allem in Erinnerung bleibt aber sein Startunfall in Silverstone. Schwächen? Vor allem im Qualifying, Q3 findet meist ohne chinesische Beteiligung statt. Im Vergleich mit Altmeister Valtteri Bottas sieht Guanyu Zhou in seiner Debüt-Saison oft schlechter aus, als er ist. Trotzdem: 41 Punkte weniger als der Teamkollege lassen sich auch mit viel Willen nur schwer rechtfertigen.

Durchschnittsnote MSM-Fahrerranking:3,27

Kommentar: Zuverlässigkeit als Zaubertrick

Motorsport-Magazin.com meint: Alfa Romeo konnte seinen Gewichtsvorsprung zu Saisonbeginn nicht zu 100% ausnutzen, das kann sich im Laufe der restlichen Saison noch rächen. Im heiß umkämpften Mittelfeld wird es das restliche Jahr spannend bleiben: McLaren und Alpine scheinen zwar punkte- und performancetechnisch zu weit entfernt, Sauber zeigt bei der Rennpace aber durchaus Potenzial. Trotzdem sollte sich Alfa eher darauf konzentrieren, P6 in der Konstrukteurs-WM zu verteidigen.

Haas als erster Verfolger und eventuell AlphaTauri drängen von hinten. Vor allem Haas scheint sich konstant zu verbessern, während Alfa Romeo manchmal wie auf dem absteigenden Ast wirkt. Das Polster von 17 Punkten auf Haas scheint komfortabel, aber das Team aus Hinwil muss seine Zuverlässigkeitsprobleme in den Griff bekommen und gleichzeitig fragwürdige Strategien, wie den Ein-Stopper in Ungarn, so gut wie möglich minimieren.