"Ich habe abgewartet", fasste Max Verstappen seinen Sieg beim Saudi Arabien GP 2022 treffend zusammen. Der Weltmeister lag das gesamte Rennen über hinter WM-Leader Charles Leclerc. 40 Runden lang fuhr der Red Bull dem Ferrari hinterher, klebte ihm aber nicht zwingend im Getriebe. Erst in den letzten zehn Runden kam es zum Duell auf der Strecke.

Das Duell in den Ingenieursbüros begann früher. Rückblickend hat Red Bull den Grand Prix möglicherweise am Freitagabend gewonnen. "Es geht nicht nur um die Stärken des Autos, es geht auch um das Setup. Red Bull ist ab Samstag mit weniger Abtrieb gefahren", analysierte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto.

Red Bull trimmt RB18 nach Training auf Topspeed

Dr. Helmut Marko bestätigte die Beobachtungen des Konkurrenten: "Nach der Session am Freitag haben wir einen kleinen Heckflügel draufgemacht. So hatten wir besseren Topspeed." Tatsächlich waren die Red Bull auf den langen Vollgas-Passagen des Jeddah Corniche Circuit eine Macht.

Sergio Perez und Max Verstappen lagen im Qualifying an allen vier Messstellen bei der Speed-Wertung vorne. Beim Speed-Trap, der Höchstgeschwindigkeitsmessung war der Vorsprung sogar eklatant. Perez wurde mit 335,1 km/h geblitzt, Verstappen mit 334,1. Kevin Magnussen auf Rang drei fehlen da schon über fünf Stundenkilometer.

Zum Vergleich: Zwischen Rang 3 und 16 in der Geschwindigkeitstabelle lagen 4,5 Stundenkilometer. Die Überlegenheit der Bullen auf den Geraden war für Verhältnisse in der modernen Formel 1 erdrückend.

Formel 1 Saudi-Arabien: Topspeeds im Qualifying

Trap S1 S2 Ziellinie
Perez 335,1 Perez 309,1 Perez 290,7 Perez 330,4
Verstappen 334,1 Verstappen 308,5 Verstappen 290 Verstappen 328,4
Magnussen 330 Alonso 307,1 Albon 288,8 Magnussen 325,1
Gasly 328,9 Ocon 305 Stroll 288,2 Bottas 324,8
Bottas 328,7 Gasly 304,3 Ocon 288 Gasly 324,5
Schumacher 328,3 Albon 304 Sainz 288 Albon 323,5
Alonso 328 Zhou 303,7 Hulkenberg 287,8 Zhou 323,3
Zhou 327,3 Magnussen 303,7 Russell 287,6 Schumacher 322,8
Russell 327,1 Stroll 303,4 Alonso 287,3 Leclerc 322,3
Albon 327,1 Bottas 303,2 Leclerc 287,3 Stroll 322,2
Sainz 327,1 Hulkenberg 302,5 Bottas 286,3 Latifi 321,8
Leclerc 327 Russell 302,4 Zhou 285,7 Sainz 320,8
Stroll 326,9 Schumacher 302,3 Hamilton 285,4 Ocon 320,1
Ocon 326,8 Latifi 301,8 Gasly 285,4 Russell 320
Hulkenberg 326,6 Sainz 301,4 Ricciardo 284,8 Alonso 319,6
Latifi 325,5 Leclerc 300,5 Latifi 284,6 Hamilton 318,6
Hamilton 324,4 Hamilton 299,9 Magnussen 284,6 Norris 318,4
Norris 323,8 Norris 299,6 Schumacher 283,8 Hulkenberg 318
Ricciardo 322,2 Ricciardo 298,3 Norris 283,8 Ricciardo 315,7

Trotz Low-Downforce-Setup: Red Bull hat Reifenverschleiß im Griff

"Wir waren schnell in den Kurven, aber ziemlich langsam auf den Geraden, weil wir uns für mehr Abtrieb entschieden haben. So war es für mich extrem schwer, Max auf den Geraden abzuwehren", berichtete Leclerc. Der Monegasse versuchte alles, um Verstappen nicht die Chance auf einen DRS-Angriff auf Start und Ziel zu geben.

Zweimal klappten die Spielchen rund um den DRS-Messpunkt vor der letzten Kurve, beim dritten Mal ließ der Weltmeister dem Herausforderer keine Chance mehr. Der Speed-Poker von Red Bull war aufgegangen.

Formel 1 Krimi! Wie hat Verstappen Leclerc bezwungen?: (17:11 Min.)

Schon in Bahrain versuchten die Bullen, Ferrari über den Topspeed Herr zu werden. Verstappen konnte Leclerc zwar für drei Runden unter Druck setzen, der Schuss ging aber - auch ohne den spätere Ausfall - nach hinten los. In Bahrain war der Preis, den Red Bull in Form eines erhöhten Reifenverschleiß zahlte, zu hoch. Nach wenigen Runden kämpfte Verstappen mit stumpfen Waffen.

Verstappen auf Medium in Problemen, auf Hard taktisch perfekt

In Saudi Arabien sah es anders aus. Die Strecke am Roten Meer fordert die Reifen zwar auch, ist aber bei weitem nicht so aggressiv zu den Pneus wie Bahrain. Dabei war Verstappens großer Joker der harte Reifen am Ende. Denn auf den Mediums sah es zu Beginn des Rennens alles andere als gut aus.

"Die Reifen wurden da schnell verschlissen. Es war etwas frustrierend, einfach nur auf den richtigen Moment für den Reifenwechsel zu warten. Aber sobald wir auf den Hards waren, hatte ich ein viel besseres Gefühl", berichtet Verstappen.

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Doch auch auf den C2-Reifen hielt sich Verstappen zurück. Bis in Runde 38 VSC ausgerufen wurde, hatte sich der Rückstand von Verstappen auf Leclerc langsam, aber stetig auf gut anderthalb Sekunden vergrößert.

Formel 1: VSC hilft Verstappen bei Schlussoffensive

Die VSC-Phase kam dem Weltmeister doppelt gelegen. Einerseits konnte er die Reifen in langsamer Fahrt wieder abkühlen. Die neue Generation Pirellis gewinnt nach einer Abkühlphase die ursprüngliche Performance wieder zurück. Das rundenlange Hinterherfahren war so einigermaßen vergessen.

Zusätzlich schrumpften die anderthalb Sekunden Vorsprung während der VSC-Phase auf nur noch eine halbe Sekunde zusammen. "Ich war selbst etwas erstaunt darüber", so Verstappen, "aber ich weiß nicht, wie nah Charles bei der Deltazeit an der Null war. Das ist immer ein Fragezeichen. Aber manchmal hängt es auch davon ab, wo man beim Restart ist." Leclerc versichert: "Wir werden das analysieren."

Erholte Reifen, kleinerer Rückstand: Mit etwas Glück hatte sich Verstappen seinen Gegner den kompletten zweiten Stint über perfekt zurechtgelegt. Dass kaum ein Blatt zwischen Red Bull und Ferrari passt, zeigt die Tatsache, dass Leclerc nach Verstappens geglücktem Überholmanöver fast noch zurückschlagen konnte. Fast aber nur: Mangelnder Topspeed verhinderten schließlich eine ernsthafte Chance.