Antonio Giovinazzi schlug am vergangenen Wochenende in der Formel E ein neues Kapitel in seiner Karriere auf. Nach seinem Aus bei Alfa Romeo in der Formel 1 hatte der Italiener beim Debüt in der Elektroserie seine Startschwierigkeiten. Beide Läufe beim Auftakt in Saudi-Arabien beendete er als 20. Eine Empfehlung für eine F1-Rückkehr war das noch nicht. Doch Giovinazzi bleibt beharrlich und glaubt weiter an das Comeback.

"Das ist das Hauptziel für 2023. Ich habe noch eine Rechnung offen und nicht das Gefühl, in dieser Meisterschaft [Formel 1] alles gezeigt zu haben", sagt der 28-Jährige im Gespräch mit der italienischen Sportzeitschrift Gazzetta dello Sport. In der Königsklasse erhielt er im November vergangenen Jahres den Laufpass, nachdem die Resultate ausgeblieben waren und die Frustration zu Reibungen zwischen ihm und Alfa Romeo Sauber geführt hatte.

"Es war das Schlimmste, die Formel 1 nach meinem bisher besten Jahr zu verlassen. Wenn man auf den Punktestand oder die Resultate schaut, sieht es vielleicht nicht danach aus. Aber es sind so viele Dinge passiert, ich hatte sehr viel Pech - doch ich habe mich verbessert. Wenn ich den Antonio von 2019 mit dem von 2021 vergleiche, ist das ein großer Unterschied. Deshalb finde ich es schade, dass ich mein Cockpit verloren habe", erklärt er.

Giovinazzi froh über Formel-E-Möglichkeit

Ferrari gliederte ihn nach dem Verlust des Stammcockpits wieder als Entwicklungsfahrer ein, was für Giovinazzi bei seinen Comeback-Plänen besonders wichtig ist. Nicht ganz aus dem Kosmos der Formel 1 zu verschwinden, war eine seiner beiden Prioritäten. "Es war ein Ziel, einen Fuß in der Tür zur Formel 1 zu behalten, mit Ferrari. Ich danke ihnen für diese Möglichkeit, als dritter Fahrer dabei zu bleiben", sagt er.

Gleichzeitig war es ihm ebenso wichtig, noch ein Renncockpit für 2022 zu ergattern. "Ich wollte weiter Rennen fahren und motiviert bleiben, denn ich hatte die Erfahrung schon, dritter Fahrer in der F1 zu sein und weiß, dass das nicht ideal ist", mahnt er. In den Jahren 2017 und 2018 drehte er bei Ferrari fast ausnahmslos im Simulator seine Runden und verlor ohne Renneinsätze seine Wettbewerbsschärfe.

Die Formel E sieht er als perfekte Gelegenheit, mental am Ball zu bleiben und sich für eine mögliche F1-Rückkehr zu positionieren: "In einer herausfordernden Meisterschaft wie der Formel E zu fahren ist außerdem vom Timing her perfekt, denn wir sind mit der Saison im August schon fertig und dann habe ich genug Zeit, mir Gedanken über 2023 zu machen."

Noch kein Formel-1-Rückkehrer aus der Formel E

Nach einem Jahr auf der Bank wieder ins Geschehen einzugreifen, ist beileibe keine Seltenheit. In den vergangenen Jahren fanden sich diverse Beispiele, die Giovinazzi Mut machen: "Wir haben viele gesehen, die es zurück geschafft haben, wie Albon oder Ocon", sagt er. "2022 laufen viele Verträge aus und deshalb habe ich Hoffnung."

Historisch betrachtet stehen die Chancen auf dieses Unterfangen allerdings schlecht. Die Liste der Formel-1-Fahrer, die Zuflucht in der Formel E suchten, ist lang. Die Liste derer, die den Weg zurück in die Formel 1 fanden, ist umso kürzer. In der seit 2014 ausgetragenen Formel E gingen bisher insgesamt 76 Fahrer an den Start, von denen 28 zuvor als Grand-Prix-Pilot aktiv waren. Den Weg zurück fand kein einziger von ihnen.

Mit Jean-Eric Vergne, Lucas di Grassi, Nelson Piquet Junior und Sebastien Buemi sind vier der insgesamt sechs Titelträger in der Formel-E-Geschichte ehemalige Formel-1-Piloten. Doch selbst die großen Erfolge dienten nicht als Türöffner für ein Comeback. Giovinazzi hingegen sieht in vielen Formel-E-Fahrern das Potential für die Königsklasse.

"Das kann ich absolut bestätigen. Da gibt es einige. Alleine die, die in den vergangenen Jahren den Titel geholt haben", sagt er. Es ist schwierig hier jemanden zu finden, der nicht tauglich ist. Der Großteil von ihnen hat gewonnen und auch in anderen Serien schon gezeigt, dass sie schnell sind."

Giovinazzi hadert mit Formel-E-Umstellung

Giovinazzi selbst fällt die Umstellung bei seinem neuen Arbeitgeber Dragon / Penske Autosport hingegen schwer. Gegen die etablierte Konkurrenz war der Rückstand in Saudi-Arabien bedenklich groß. "Das ist, was alle Formel-E-Fahrer immer wieder sagen. Es ist etwas, das mich ein wenig beunruhigt. Es dauert seine Zeit, sich an diese Autos anzupassen und an diese Rennserie. Es ist schwer, hier anzukommen und sofort vorne dabei zu sein."

Mit Zielsetzungen hält er sich deshalb für seine Debütsaison vornehm zurück. "Erst wenn ich ein Gefühl für das Auto habe, kann ich mir etwas vornehmen. Für den Moment will ich mich nicht verrennen sondern suche nach einem Lernansatz", erklärt er. "Die Formel-1-Saison ging erst im Dezember zu Ende. Der Simulator ist wichtig um die Strecken kennenzulernen, aber es ist nicht dasselbe, wie im Auto zu sitzen. Wir hatten wenig Zeit für die Vorbereitung, aber wir geben unser Bestes."

Der ambitionierte Wunsch einer Formel-1-Rückkehr könnte aber nicht nur durch ausbleibende Erfolge in der Formel E torpediert werden. Auch so ist der Fahrermarkt hart umkämpft und Giovinazzi setzt sich mit einem Szenario auseinander, in dem er es nicht zurück schafft: "Wenn es keine Möglichkeit gibt, werden wir sehen. Bis dahin bleibt abzuwarten, wie es in der Formel E läuft. Aber es gibt zum Beispiel noch das Hypercar-Programm von Ferrari, das mich sehr interessiert."

IndyCar und Hypercar als Alternativen zur Formel 1

Darüber hinaus kann er sich auch vorstellen, den Sprung in die USA zu wagen und es in der IndyCar seinem Landsmann Alessandro Zanardi gleichzutun. "Wieso nicht? Es ist eine interessante Welt, die ich gerne entdecken würde", so Giovinazzi, der sich bei Penske im Grunde direkt an der Quelle befindet. "Wir haben mit Penske noch nicht darüber gesprochen, aber wir schauen mal, ob dieses Jahr ein Test möglich ist. Ich würde dieses Auto gerne ausprobieren, aber das hängt davon ab, wie die Saison läuft."

Neben seinem Formel-E-Engagement wird der Fokus ihn sehr bald auch wieder verstärkt auf die Formel 1 wandern, wo er als Reservefahrer bei der Scuderia gesetzt ist. "Mit den neuen Regeln gibt es viel zu lernen. Ich hatte bisher noch nicht die Möglichkeit, das neue Auto im Simulator zu testen. Ich werde es nach dem Formel-E-Rennen in Mexiko tun", kündigt Giovinazzi an.