Der letzte Trainingsfreitag ist ein Spiegelbild der ganzen Saison: Red Bull startet Stark ins Wochenende, Mercedes schlägt im 2. Training zurück. Im 1. Training lag Verstappen noch vorne, um die Winzigkeit von 0,033 Sekunden, wenn man Hamiltons regelwidrige Runde zugrunde legt. Am Nachmittag schlug dann das Imperium zurück: Mehr als sechs Zehntelsekunden fehlten Verstappen auf die Hamilton-Bestzeit.

Bei Red Bull geht man davon aus, dass Mercedes - wie zuletzt üblich - die Motoren schon im Training etwas aufgedreht hat. Das wirkt sich nicht negativ auf die Leistung für das restliche Wochenende aus, weil am Freitag ohnehin ein anderes Triebwerk im Einsatz ist.

Doch das alleine würde den großen Rückstand nicht erklären. Red Bull nahm zwischen dem 1. und dem 2. Training Änderungen am Setup vor. Ziel: Man wollte die Longrun-Pace des RB16B verbessern. Dabei übertrieb man es offenbar. Die Änderungen hatten gewaltigere Auswirkungen als man selbst angenommen hatte.

Angst vor Reifendrama! Verstappen & Hamilton: Wer ist besser?: (09:32 Min.)

Rückstand auf Hamilton: Verstappen verliert auf Geraden

"Jetzt müssen wir nur noch FP1 und FP2 zusammenbekommen", meint Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko. Bei Mercedes hingegen war es genau umgekehrt. "Am Vormittag waren wir mit unserer Arbeit auf einer schnellen Runde nicht besonders zufrieden, aber der Longrun war gut ausgeglichen. Am Nachmittag lief es auf einer schnellen Runde einfacher, aber der Longrun war nicht so", verrät Mercedes leitender Strecken-Ingenieur Andrew Shovlin.

Titelverteidiger Hamilton traut dem Braten von sechs Zehntelsekunden nicht so recht, obwohl er mit den Setupänderungen zufrieden war. "Die relative Pace ist noch eine kleine Unbekannte. Aber ich bin mir sicher, dass es genauso wie in den vergangenen Rennen super eng wird", so der Brite.

Ungewöhnlich: Sergio Perez kam ungewöhnlich nah an die Verstappen-Zeit heran. Nur eine halbe Zehntelsekunden trennte die beiden Red Bulls. Dafür ist möglicherweise eine unterschiedliche Abstimmung verantwortlich. Perez fuhr am Abend mit kleinerem Heckflügel als Verstappen.

Der WM-Leader verlor wohl auch deshalb im Mittelsektor mit den beiden langen Geraden überproportional viel Zeit. Im Mittelsektor fuhr Verstappen nur die zehntschnellste Zeit. Perez landete dort auf Platz vier.

Perez im Qualifying zu opfern, um Verstappen einen Windschatten zu geben, ist für Red Bull keine Option, auch wenn die Konstrukteurs-WM schon so gut wie gelaufen ist für die Bullen. "Mit einer guten Startposition hilft er uns mehr", meint Dr. Marko.

Max Verstappen fuhr im zweiten Freien Training mit mehr Flügel als Teamkollege Sergio PérezFoto: LAT Images

Longruns: Red Bull auf Mediums an Hamilton dran

Die Longruns haben einen gewaltigen Schönheitsfehler: Ausgerechnet Hamilton und Verstappen fuhren konträr. Verstappen fuhr auf dem Soft-Reifen, Hamilton auf Medium. Beide lagen in ihrer Wertung vorne. Verstappens Soft-Run war eindrucksvoll. Der Niederländer legte los wie die Feuerwehr und war auch am Ende noch schnell.

Longruns auf Soft

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit
Verstappen 14 6 1:28,523
Ocon 22 14 1:29,919
Leclerc 21 10 1:29,934
Ricciardo 17 10 1:30,232
Tsunoda 20 12 1:30,341
Latifi 15 8 1:30,947

Longruns auf Medium

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit
Hamilton 19 10 1:29,113
Perez 20 8 1:29,147
Alonso 19 12 1:29,940
Norris 20 14 1:30,030
Vettel 20 10 1:30,411
Gasly 21 11 1:30,469
Stroll 17 10 1:30,552
Sainz 20 11 1:30,636
Giovinazzi 20 8 1:30,725
Russell 20 11 1:30,949
Bottas 21 13 1:31,229
Schumacher 17 8 1:31,904
Mazepin 17 9 1:32,551

Hamilton muss sich auf den Mediums Konkurrenz gefallen lassen. Sergio Perez' Longrun war nur um wenige Tausendstel langsamer - und das bei vergleichbarem Reifenalter und vergleichbaren Stintlängen.

Allerdings fuhr Hamilton einige Runden hinter Perez her. "Auf meinem Longrun versuchte ich, dem Vordermann zu folgen, aber das ist hier immer noch nicht einfach", berichtete der Brite. Den Zeiten dürfte das nicht zuträglich gewesen sein.

Nachdem Red Bull - zumindest Verstappen - in Saudi Arabien auf eine Runde durchaus konkurrenzfähig war, sind die Longruns in Abu Dhabi gute Neuigkeiten. Die Frage ist nur, ob die Bullen Long- und Shortrun beim Setup unter einen Hut bringen können. Den hinter dem Überholen steht in Abu Dhabi weiterhin ein großes Fragezeichen. Und strategisch sollte das Rennen auf einen Stopp hinauslaufen.