Red Bull wird der Favoritenrolle bei der Formel 1 in Mexiko gerecht. Im 1. Freien Training war Mercedes noch knapp schneller, doch am Nachmittag drehten die Bullen die Reihenfolge. Deutlich. Max Verstappen brummte Valtteri Bottas vier, Lewis Hamilton sogar fünf Zehntelsekunden auf.

Die Vormittagssession kann dabei annähernd ignoriert werden: Einerseits war die staubige Strecke keine Referenz, andererseits drehte Mercedes bereits die Motoren auf. Honda hielt sich bei Red Bull zumindest noch dezent zurück. Der Nachmittag hingegen war deutlich repräsentativer.

Sind vier Zehntel oder gar eine halbe Sekunde ein realistisches Bild? "Hamilton hatte keine optimale Runde, er hatte ein paar Quersteher. Es sind zwei bis drei Zehntel", meint Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko.

Hamilton & Bottas in Mexiko noch mit mehr Potenzial

Tatsächlich brachte Hamilton seine schnellste Runde nicht zusammen. Beim ersten Anlauf verlor er im Stadion aufgrund eines kleinen Fehlers, beim zweiten waren die Reifen nicht mehr im Optimalzustand. Die Addition der besten Sektorzeiten lässt den Abstand etwas schmelzen.

Auch bei Bottas lief nicht alles perfekt. Er fuhr seine beste Runde erst im vierten schnellen Versuch. Da hatten die weichen Reifen schon insgesamt elf Runden auf dem Buckel. Verstappen hingegen fuhr die Tagesbestzeit gleich im ersten Anlauf. Die zweite schnelle Runde war drei Zehntel langsamer.

"Aber auch seine Runde war nicht ganz optimal", meint Marko. Verstappen ist und bleibt Topfavorit in Mexiko. Überraschend kommt das nicht, war Red Bull doch schon in der Vergangenheit auf knapp 2.300 Meter über dem Meeresspiegel äußerst konkurrenzfähig.

Mercedes: Motoren-Nachteil von Mexiko verpufft

Viel wurde über den größeren Turbolader des Honda-Motors und den Vorteil in der Höhenlage gesprochen. 2021 scheint das nicht der entscheidende Faktor zu sein. "Unsere Power Unit schien mit der Höhe gut zurechtgekommen zu sein", meint Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin.

Tatsächlich liegen Mercedes und Red Bull im ersten Sektor, in dem es hauptsächlich geradeaus geht, fast gleichauf. "Die ersten fünf Mercedes-Jahre lag es nur am Motor. Jetzt reicht der Motor allein nicht mehr aus. Das ganze Paket muss stimmen", wirft Marko ein.

Sektorzeiten 2. Training Mexiko GP

Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3
Gasly 27,47 Verstappen 29,725 Verstappen 19,991
Perez 27,505 Bottas 29,877 Hamilton 20,132
Hamilton 27,551 Hamilton 29,994 Bottas 20,195
Verstappen 27,585 Perez 29,995 Sainz 20,325
Bottas 27,618 Sainz 30,252 Vettel 20,335
Raikkonen 27,707 Alonso 30,322 Perez 20,371
Vettel 27,739 Gasly 30,342 Leclerc 20,383
Leclerc 27,741 Norris 30,343 Tsunoda 20,392
Sainz 27,741 Leclerc 30,42 Gasly 20,424
Giovinazzi 27,743 Tsunoda 30,437 Norris 20,467
Alonso 27,801 Ocon 30,487 Alonso 20,473
Tsunoda 27,815 Raikkonen 30,604 Raikkonen 20,53
Schumacher 27,948 Vettel 30,607 Ricciardo 20,612
Ricciardo 28,019 Giovinazzi 30,73 Giovinazzi 20,66
Norris 28,053 Stroll 30,803 Schumacher 20,663
Ocon 28,056 Ricciardo 30,89 Ocon 20,748
Stroll 28,106 Schumacher 30,899 Stroll 20,815
Mazepin 28,127 Latifi 31,373 Latifi 21,024
Latifi 28,423 Mazepin 31,829 Mazepin 21,153
Russell 51,326 Russell 34,946 Russell 22,728

Die dünnere Luft erfordert von den Teams extreme Lösungen bei der Kühlung und das Paket mit maximalem Abtrieb. In beiden Disziplinen scheint Red Bull die Nase vorne zu haben. "Man kann sehen, dass uns einfach Abtrieb fehlt und das zeigt sich in den Rundenzeiten", berichtet Lewis Hamilton.

Mercedes sucht Antworten für Mexiko-Kerbs

In den kurvenreichen Sektoren zwei und drei verliert Hamilton jeweils zwei Zehntel. Das allerdings liegt nicht nur am Abtrieb selbst. Der schwarze Silberpfeil tut sich auf den Kerbs schwer. Die müssen aber für die Ideallinie miteinbezogen werden.

Lewis Hamilton und Mercedes feilen in Mexiko noch an der BalanceFoto: LAT Images

"Es ist offensichtlich, dass wir verglichen mit Max auf einer Runde noch etwas nachlegen müssen. Aber wir müssen noch ein paar Balanceprobleme beheben, was uns hoffentlich dabei hilft, den Abstand weiter zu verringern", so Shovlin. Am Abtrieb kann Mercedes über Nacht nicht nachlegen, aber beim Setup könnten die Ingenieure noch etwas finden, um das Auto auf den Kerbs stabiler zu machen.

Die Longruns sind in Mexiko wenig aussagekräftig. Red Bull fokussierte sich auf die Medium-Pneus, Mercedes fuhr Soft und Hard. Somit waren beide konkurrenzlos. Dass Red Bull die Soft-Reifen nicht im Dauerlauf getestet hat, dürfte kein großer Nachteil sein. Pirelli erwartet eine klare Einstopp-Strategie mit Medium und Hard.

Longruns auf Soft

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit Stint
Hamilton 14 7 1:21,742 1/2
Bottas 19 6 1:21,923 1/2
Schumacher 12 3 1:23,278 1/2
Vettel 16 10 1:23,336 1/2
Ocon 14 7 1:23,390 1/2
Giovinazzi 20 12 1:23,494 1/1
Mazepin 11 2 1:24,258 2/2

Longruns auf Medium

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit Stint
Verstappen 22 12 1:21,092 1/1
Perez 20 9 1:21,553 1/1
Vettel 16 10 1:21,988 2/2
Räikkönen 20 9 1:22,094 1/1
Leclerc 18 8 1:22,105 1/1
Sainz 21 9 1:22,319 1/1
Tsunoda 18 17 1:22,473 1/1
Stroll 22 13 1:22,482 2/2
Ocon 23 17 1:22,607 2/2
Norris 17 12 1:22,715 1/1
Latifi 17 11 1:23,581 1/1
Mazepin 17 8 1:24,677 1/2

Longruns auf Hard

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit Stint
Bottas 12 5 1:21,084 2/2
Hamilton 12 3 1:22,580 2/2
Gasly 23 12 1:22,001 1/1
Alonso 22 14 1:22,266 1/1
Schumacher 18 9 1:25,081 1/2
Stroll 14 13 1:23,094 1/2

Deshalb dürfte es für die Strategie auch nicht entscheidend sein, dass Mercedes nach dem Freitag noch einen Satz Medium mehr übrig hat, Red Bull dafür einen Satz Soft. Das könnte sich nach dem 3. Freien Training ohnehin noch angleichen.

Red Bull braucht Perez-Hilfe: Auch in Mexiko fehlt Zeit

Für Red Bull sollte es in Mexiko eigentlich nur um Lokalmatador Sergio Perez gehen, denn Verstappen sollte niemand stoppen können. Die Bullen müssen sich eher Gedanken machen, wie man Perez vor Mercedes bekommt, als über eine mögliche Stallorder nachzudenken, die von vielen Träumern schon heraufbeschworen wurde.

Denn auch beim Heimrennen fährt Perez deutlich hinter Verstappen her. Im 1. Training flog er zunächst leicht ab. Viel Trainingszeit verlor er dabei nicht, aber Red Bull fürchtet beim Tripleheader um Ersatzteile. Im 2. Training hatte er auf seiner schnellen Runde etwas Verkehr, aber mit Verstappen kann Perez auch auf heimischen Boden nicht mithalten.

Perez reihte sich am Freitag auf Rang vier ein. Anderthalb Zehntel hinter Bottas, weniger als eine Zehntel hinter Hamilton. "Das wird von Platz zwei bis fünf eng werden", prognostiziert Marko. Aber warum Platz fünf? "Ich glaube, dass der Gasly da mitmischt. Denn der hat keine optimale Runde erwischt."

Gasly ärgert in Mexiko Ferrari

Der Franzose im AlphaTauri wurde Sechster mit mehr als einer Sekunde Rückstand. Auch der Longrun von Gasly sah nicht überwältigend aus. Dabei zeigt AlphaTauri am Freitag meist schon etwas mehr als die Topteams. Ein Angriff auf Mercedes dürfte also eher Wunschdenken des Bullenlagers sein.

Für den Titel Best of the Rest könnte es für Gasly schon reichen. Ferrari tat sich schwerer als erwartet, McLaren ist sogar in größeren Schwierigkeiten. Lando Norris könnte auch noch eine Motorenstrafe erwarten. Bitter für AlphaTauri, dass Yuki Tsunoda schon eine Motorenstrafe gezogen hat. Auch der Japaner war bei der Musik.

Vorne an der Spitze sollte aber alles klar sein. Red Bull ist zum ersten Mal seit dem Saisonstart in Bahrain wieder in einer Situation, in der man nur verlieren kann. Damals taten die Bullen genau das. Verstappen hatte vom 1. Training bis zum Qualifying alles dominiert und wurde am Ende dennoch Zweiter.

Der größte Gegner in Mexiko ist man selbst - und Stolpersteine gibt es genügend. "Ein technischer Ausfall, oder wenn ein Boxenstopp daneben geht. Man weiß nie", mahnt Marko. "Und die erste Kurve und dergleichen, ein Safety Car im falschen Moment ... es gibt so viele Unabwägbarkeiten."