Das Austin-Wochenende der Formel 1 hat sich für Mercedes und für Lewis Hamilton in die falsche Richtung entwickelt. Ein vermeintlich starker Start ins Wochenende war nur ein Trugbild, und Max Verstappen und Red Bull kämpften sich für das Rennen heute (Start: 21:00 Uhr) zurück auf die Pole Position.

Zwar findet sich Hamilton einmal mehr neben seinem WM-Rivalen in der ersten Startreihe ein, aber die Zeichen stehen fast überraschend schlecht. Denn Red Bull hält, so hat es nach einer klaren Trendwende am Samstag den Anschein, alle Trümpfe in der Hand.

Mercedes findet in Austin keine Setup-Antworten

Mercedes hatte am Freitag nach dem ersten Training vorsichtig optimistisch geklungen, war dann aber auf einem Circuit of the Americas, der sich 2021 als ein sehr schwierig zu durchschauendes Biest erweist, mit der Fahrzeugabstimmung nicht vom Fleck gekommen. "Ich weiß nicht, ob wir langsamer wurden, aber es war mit dem Auto ein echter Kampf, wenn man es damit vergleicht, wie es hier normalerweise für uns lief", lautete Lewis Hamiltons ernüchterndes Fazit.

Seit 2014 war das Team im Qualifying ungeschlagen. Max Verstappen beendete diese Serie. Hamilton und Bottas waren in den Freitagstrainings schon nicht mit der Balance zufrieden gewesen, aber keine der vorgenommenen Änderungen brachte die erhofften Effekte. Toto Wolff suggerierte vor dem Qualifying - nachdem man am Samstagvormittag noch schlechter ausgesehen hatte - dass man mehr oder weniger wieder auf FP1-Konfiguration zurückbauen würde.

Im Qualifying klangen beide Fahrer danach zumindest wieder etwas glücklicher. "Für mich fühlte es sich viel besser an, aber Red Bull hat einen größeren Schritt gemacht", urteilt Bottas. Trotzdem fehlten Hamilton in der letzten Runde noch immer zwei Zehntel auf Verstappen.

Red Bull feixt: Rennpace in Austin noch stärker?

Und Verstappen war nicht einmal vollends glücklich mit seiner Red-Bull-Balance auf dem Soft-Reifen. Red Bull ortet die eigene Stärke eher auf dem Medium. "Da waren wir überlegener als mit dem Soft", meint Motorsportchef Dr. Helmut Marko nach dem Qualifying im ORF und spricht von zwei bis drei Zehntel.

Das unterstreicht den Eindruck der Medium-Longruns vom Freitag. Zwar konnte Lewis Hamilton nominell eine schnellere Durchschnittszeit liefern - aber auf jüngeren Reifen, und in einem Run von kürzerer Distanz, den er schließlich abbrechen musste. Verstappen und Perez konnten ihr Tempo durchziehen.

USA GP, 2. Training: Longruns auf Medium

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit
Hamilton 16 7 01:41.177
Verstappen 20 8 01:41.474
Perez 21 10 01:42.078
Bottas 18 10 01:42.171
Alonso 8 6 01:42.200
Vettel 18 11 01:42.414
Stroll 17 10 01:42.489
Leclerc 17 9 01:42.495
Norris 15 7 01:42.614
Räikkönen 19 8 01:42.615
Giovinazzi 20 8 01:42.656
Tsunoda 18 8 01:43.647
Latifi 19 12 01:43.960
Russell 15 13 01:44.007
Schumacher 19 9 01:45.797

Auch Toto Wolff gesteht: "Wenn du dir das reine Performance-Bild anschaust, sehen beide Red Bulls sehr stark aus und sind wohl auf dem Papier die Autos vor uns." Er setzt schon mehr Hoffnung in glückliche Start-Szenarien oder Ausfälle.

Hamilton als Mercedes-Einzelkämpfer gegen Red Bull

Doch auch hier ist Mercedes im Nachteil. Nach einer erneuten Motorstrafe fehlt nämlich Valtteri Bottas vorne und kann Hamilton keine Schützenhilfe geben. Nur Startplatz neun für den Finnen, der sich im Rennen erst einmal an Pierre Gasly sowie an beiden Ferraris und an beiden McLaren vorbeikämpfen muss.

Bei Red Bull hat Sergio Perez im Gegenzug sein bislang vielleicht bestes Wochenende hinter sich. Anders als schon bei so vielen Rennen ist es damit diesmal Red Bull, das gegen Hamilton die Strategiezange mit zwei gegen eins einsetzen will. Start-Zwischenfälle vorbehalten.

Strategisch ist einiges offen. Es steht ein Hitzerennen mit weit über 30 Grad Asphalttemperatur ins Haus. Gepaart mit einem sehr variablen Asphalt ist die Reifenabnutzung sehr hoch. Pirelli rechnet fest mit einer Zweistopp-Strategie, denn mit ungefähr 20 Sekunden ist auch der Zeitverlust an der Box gering. Die Spitzenpiloten starten auf Medium, danach soll eine Kombination von Medium und Hard den größten Erfolg versprechen.

Max Verstappen und Sergio Perez bilden heute an der Spitze eine Red-Bull-ZangeFoto: LAT Images

In welcher Order und wann, das hängt primär von der Rennsituation ab, in der sich die Spitze wiederfindet. Was wiederum den Nachteil zeigt, mit nur einem Auto vorne vertreten zu sein. Red Bull kann zwischen unterschiedlichen Strategien wählen und Druck ausüben. Will Valtteri Bottas hingegen noch eine Rolle spielen, muss er schnell durchs Feld - denn der Pace-Unterschied zwischen Red Bull, Mercedes und dem Rest der Welt dürfte hier eklatant sein. Bleibt Bottas im voraussichtlich engen Ferrari-vs.-McLaren-Duell stecken, kann er hier sehr schnell sehr viel Zeit verlieren.

Fazit: Nach einem blassen Auftritt in der Türkei liegt der Vorteil in Austin plötzlich wieder bei Red Bull. Auf der langjährigen Mercedes-Hausstrecke nicht gänzlich erwartet - aber dafür ist es umso kritischer, dass sich Verstappen und Perez von Start bis Ziel schadlos halten.