Mercedes hatte am Trainingsfreitag der Formel 1 in Ungarn die Nase vor Red Bull. Das Weltmeister-Team strotzt nach der Doppelspitze durch Valtteri Bottas und Lewis Hamilton vor Selbstvertrauen. Vielversprechende Longruns runden das Bild für die Titelverteidiger ab. Doch für Qualifying und Rennen gibt es jede Menge Fragezeichen. Hitzeschlacht birgt hohes Risiko bei Reifenwahl. Dazu droht Regen den Samstag auf den Kopf zu stellen.

"Die Reifen schmelzen dort draußen. Es ist ziemlich schwierig, die Balance hinzubekommen", so Hamilton, der im zweiten Training hauchdünn hinter Bottas die zweitschnellste Rundenzeit fuhr. Die Außentemperatur betrug am Freitag auf dem Hungaroring 33 Grad Celsius. Der Asphalt kochte mit Temperaturen um die 60 Grad Celsius regelrecht.

Der Weltmeister war zwar schneller als Herausforderer Max Verstappen, hatte mit den Temperaturen jedoch seine Probleme. Sowohl beim Performance-Run auf dem weichen als auch beim Longrun auf dem Medium-Reifen kam er von der Strecke ab. "Diese Reifen sind sowieso nur selten gut aufgelegt, aber hohe Temperaturen mögen sie definitiv nicht", moniert er.

Für die 2021er Ausgabe des Großen Preises von Ungarn hat Pirelli die Reifenmischungen C2, C3 und C4 gewählt. "Es ist ganz anders als letztes Jahr. Da hatten hier viele Fahrer Probleme mit den Vorderreifen. Dieses Jahr sind es [Autos] andere Maschinen", sagt Hamilton, der vor allem mit der Hinterachse seine Probleme hatte.

Nach Red Bull Protest: Von FIA & Mercedes abgewatscht!: (09:16 Min.)

Teams bei Hitzeschlacht in der Setup-Zwickmühle

Pirelli-Manager Mario Isola wundert das nicht. "Du musst auf den Hinterreifen hier sehr aufpassen, weil du auf diesem Kurs keine Möglichkeit hast, den Reifen abzukühlen. Die Start- und Zielgeraden ist sehr kurz, dazu beanspruchst du ständig die Traktion und hast aufeinanderfolgende Kurven. Dadurch werden die Hinterreifen sehr heiß", erklärt er.

Dieser Umstand führt zwangsläufig zu einem Kompromiss im Setup, bei dem eine der beiden Achsen leidet. "Wenn du die Hinterreifen entlasten willst, belastest du die Vorderreifen mehr. Das führt zu Graining und wird die Performance negativ beeinträchtigen", fügt er an. Der fehlende Grip an der Vorderachse war es, der Red Bull am Freitag ausbremste.

Verstappen klagte im Funk über das Untersteuern seines RB16B. Ob es durch das von Isola prognostizierte Graining verursacht wurde, konnte das Team nicht bestätigen. "Wir wissen jetzt auch noch nicht, wo es herkommt", so Red-Bull-Berater Dr. Helmut Marko zu Motorsport-Magazin.com. "Wir müssen überprüfen, ob die Arbeiten, die durchgeführt wurden, irgendwo zu diesem Untersteuern geführt haben."

Hamilton im Longrun vor Verstappen

Im Performance-Run fehlten Verstappen drei Zehntelsekunden auf die Bestzeit von Bottas. Auf den Longruns sah das anders aus. Mit dem Medium-Reifen war der WM-Leader im Mittelwert etwa eine Zehntelsekunde schneller als der Pace-Setter vom Freitag. Den flottesten Longrun auf diesem Compound zeigte allerdings Hamilton, der mit 1:22.424 fast eine Sekunde schneller war.

"Wir haben nicht viel aufzuholen, es ist einfach generell kein einfacher Tag mit solchen Streckentemperaturen", sieht Verstappen trotz allem keinen Grund zur Panik. So unterschiedlich das Gefühl für das Auto war, so einig waren sich die Top-Teams in Sachen Vorbereitung. Von Mercedes und Red Bull gab es ausschließlich Longruns auf dem Medium-Compound zu sehen.

Kein Wunder, denn sollte das Wetter entgegen des für Samstag vorhergesagten Temperatursturzes samt Gewitterschauern heiß bleiben, wird man den weichen Reifen beim Rennstart vermeiden wollen. Im Qualifying könnte dies die Favoriten jedoch vor ein großes Problem stellen.

Formel 1 Ungarn 2021: Longruns auf Medium-Reifen

Fahrer Ø Rundenzeit Rückstand in Sek.
Lewis Hamilton 1:22.424
Sergio Perez 1:23.272 + 0.848
Max Verstappen 1:23.333 + 0.909
Sebastian Vettel 1:23.405 + 0.981
Valtteri Bottas 1:23.496 + 1.072
Lance Stroll 1:23.683 + 1.259
Fernando Alonso 1:24.208 + 1.784
Daniel Ricciardo 1:24.635 + 2.211
George Russell 1:24.822 + 2.398
Antonio Giovinazzi 1:25.386 + 2.962
Nikita Mazepin 1:26.484 + 4.060
Mick Schumacher 1:26.945 + 4.521

Verfolgerfeld auf Soft-Reifen fleißig

Bei der Performance auf eine Runde hatte der Medium-Reifen gegen die weichere Mischung im zweiten Training keine Chance. Hamilton fuhr die schnellste Zeit auf der mittleren Reifenmischung und war dabei neun Zehntelsekunden langsamer als Bottas' Bestzeit. "Das hat unsere Erwartungen übertroffen. Wir hatten mit einem Delta von sechs oder sieben Zehntelsekunden zwischen Soft und Medium gerechnet", sagt Isola.

Mit Esteban Ocon lag der schnellste Pilot des Verfolgerfeldes auf dem Soft-Reifen nur sieben Zehntelsekunden hinter Bottas. Im Q2 auf dem Medium-Reifen die Top-10 anzupeilen, könnte nach hinten losgehen. "Das Delta ist für eine kurze Runde wie hier in Budapest sehr groß. Wenn jemand auf dem Medium durch das Q2 kommen will, wird das eine ziemliche Herausforderung und auch ein Risiko", so Isola.

Was für die Favoriten schon knifflig wird, ist für die Mittelfeld-Teams ein aussichtsloses Unterfangen. Dementsprechend beschäftigten sich die Verfolger verstärkt mit der Rennpace auf dem weichen Reifen. Wie üblich ging es dabei eng zu. Mit 1:24.076 Minuten legte McLaren-Pilot Lando Norris den schnellsten Durchschnittswert hin.

Hinter dem Drittplatzierten der Gesamtwertung folgen neun Piloten aus sechs Teams in einer halben Sekunde. Mit McLaren, Ferrari, Aston Martin, Alpine und AlphaTauri gibt es fünf Rennställe, die durchaus auf dem Soft-Reifen ins Q3 einziehen und demzufolge auf diesem Compound ins Rennen starten könnten. Bei Alfa Romeo und Williams scheint die Wahrscheinlichkeit eher nicht gegeben.

Formel 1 Ungarn 2021: Longruns auf Soft-Reifen

Fahrer Ø Rundenzeit Rückstand in Sek.
Lando Norris 1:24.076
Sebastian Vettel 1:24.158 + 0.082
Charles Leclerc 1:24.162 + 0.086
Carlos Sainz 1:24.220 + 0.144
Esteban Ocon 1:24.245 + 0.169
Kimi Räikkönen 1:24.256 + 0.180
Lance Stroll 1:24.308 + 0.232
Daniel Ricciardo 1:24.310 + 0.234
Pierre Gasly 1:24.571 + 0.495
Nicholas Latifi 1:24.601 + 0.525

Pirelli erwartet vielfältige Strategien

Wer auf dem Soft-Reifen ins Rennen geht, wird laut Pirelli kaum um eine Zweistopp-Strategie herumkommen. "Das würde Soft, Medium, Soft oder Soft, Medium, Medium bedeuten", so Isola. Der harte Compound wäre allenfalls für die Einstopper interessant. Laut dem Reifenhersteller liegt das Delta zwischen Medium und Hard bei bis zu acht Zehntelsekunden. Wer auf dem Medium-Reifen startet, könnte das Rennen mit einem langen zweiten Stint auf Hard beenden.

"Wenn jemand den ersten Stint auf Soft derart ausreizen will, um dann auf Hard zu gehen, wird es sehr schwierig. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine erfolgreiche Strategie sein kann. Der Soft-Reifen wird temperaturbedingt sehr stark abbauen", so Isola. Longruns auf dem harten Reifen hatten im zweiten Training Seltenheitswert. Wirklich aussagekräftig scheinen nur die Daten von Sainz und Norris. Beide waren auf dem harten Reifen schneller unterwegs als auf Medium.

Mit der Wettervorhersage für den Samstag könnten all die Erkenntnisse im Qualifying über Bord gehen. Die Meteorologen sagen Regenschauer mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent voraus. "Die Strecke könnte wieder langsamer sein, und bei kühleren Bedingungen könnte es auf Soft zu Graining kommen. Das dritte Training kann für die Planung der Strategie in diesem Fall relevant sein", sagt Isola.

Formel 1 Ungarn 2021: Longruns auf Hard-Reifen

Fahrer Ø Rundenzeit Rückstand in Sek.
Carlos Sainz 1:23.726
Lando Norris 1:23.901 + 0.175
Mick Schumacher 1:25.141 + 1.415
Nicholas Latifi 1:25.208 + 1.482
Nikita Mazepin 1:26.845 + 3.119