Vor drei Wochen holte Lewis Hamilton den Auftaktsieg der Formel-1-Saison 2021, nun steht er beim Emilia Romagna GP in Imola auf der Pole. Die Formel 1, wie man sie seit 2014 kennt? Mitnichten. Die 99. Karriere-Pole von Hamilton war ein Meisterstück. Wieder saß der Weltmeister nicht im schnellsten Auto, aber wieder schlug der bessere Fahrer das bessere Auto.

Verstappen verschenkte die Pole Position mit einem Fehler in Kurve drei, als er mit zwei Rädern neben die Strecke kam. "Ich weiß, dass Honda gute Rasenmäher baut, aber dafür sind sie nicht gedacht", machte der Niederländer gute Miene zum bösen Spiel. Verstappen macht Fehler auf der Strecke, aber er lässt sich seinen Unmut daneben nicht mehr anmerken.

Mercedes: Verstappen ohne Fehler vor Hamilton

Dass Verstappen im besseren Auto saß, zeigte auch Sergio Perez. Der Neuling im Bullen-Cockpit verpasste die Pole nur um wenige Tausendstel. Dabei machte auch er einen Fehler. Bei ihm war es ein minimaler Fehler in der letzten Kurve. "Aber es war genug, um Pole zu verlieren", ärgerte sich der Mexikaner.

Wenn Perez, der sich bislang auf eine Runde noch sehr schwertat, Hamilton schlagen könnte, dann ist der RB16B das schnellere Auto. "Ohne seinen Fehler wäre Verstappen zwei Zehntel vor Lewis", rechnet Mercedes Motorsportchef Toto Wolff vor.

Red Bull dank Perez endlich im strategischen Vorteil

Das ergibt für das Rennen im Imola heute die perfekte Ausgangslage: Das schnellste Auto startet nicht von vorne. Gleichzeitig sorgt Perez genau für das, wofür ihn Dr. Helmut Marko engagiert hat: Er setzt Mercedes unter Druck. Was Pierre Gasly und Alexander Albon zwei Jahre lang nicht gelang, schafft der Mexikaner in seinem zweiten Rennen.

Weil sich Valtteri Bottas nur auf Rang acht qualifizierte, heißt es heute: Zwei gegen einen für Red Bull. Die letzten Jahre war es immer umgekehrt. "Sie haben einen großen Vorteil, weil nicht nur beide Red Bull hinter Lewis starten, sondern Perez auch auf den Soft-Reifen losfährt", fürchtet Wolff. "Dadurch können sie auf zwei verschiedene Strategien setzen."

Soft-Starter Perez für Hamilton gefährlich

Nicht nur unterschiedliche Strategien könnten Mercedes und Hamilton gefährlich werden, auch der Start. Weil die Freitagstrainings jeweils mit Roter Flagge beendet wurden, fielen die Startübungen aus. Nur nach dem 3. Freien Training durften die Piloten auf der Start- und Zielgeraden den Launch üben. Vor dem Rennen muss der kleine Platz am Boxenausgang genügen, der das bisherige Wochenende nicht genutzt werden durfte.

Gleichzeitig startet Perez als einziger Pilot in den Top-3 auf Soft. Am Start ist der weiche Reifen ein Vorteil. Glück für Mercedes: Mit 440 Metern ist der Weg bis zum ersten Bremspunkt nicht besonders lang. Will man am Start Plätze gutmachen, muss man schon deutlich besser als die Konkurrenz von der Linie wegkommen. Gleichzeitig ist die erste Schikane verhältnismäßig schnell, eine lange Bremszone gibt es also nicht.

Trotzdem ist die Perez-Gefahr am Start reell. Schafft es der Mexikaner, hat Red Bull den Jackpot gewonnen. Nur in Singapur und Monaco ist es laut den Ingenieuren schwieriger, zu überholen. Das enge Asphaltband und die Streckencharakteristik machen das Überholen in Imola enorm schwer - daran kann auch die im Vergleich zu 2020 leicht verlängerte DRS-Zone nichts ändern.

Imola-Pole verschenkt: Setzt der WM-Druck Verstappen zu?: (09:20 Min.)

"Man hätte vor Rivazza noch eine weitere DRS-Zone machen sollen, damit man dann näher dran ist", klagt Verstappen. Wenn Perez Hamilton aufhalten kann, wird sich die Meinung des Niederländers womöglich noch ändern.

Verstappen im Undercut-Vorteil? Mercedes kann auch

Für Verstappen ergäbe sich dann die Möglichkeit des Undercuts - die natürlich auch Hamilton hat. Wolff kündigt schon an: "Wir waren in Bahrain erstmals der Jäger und nicht der Gejagt und das haben wir mit aggressiven Stopps eigentlich ganz gut gespielt. Morgen wird es ganz ähnlich sein." Und auch Hamilton kündigt an: "Die Ausgangslage bedeutet nicht, dass wir nichts Einzigartiges machen können."

Wer traut sich zuerst an die Box? Der Zeitpunkt könnte in Imola noch entscheidender sein, weil Boxenstopps nirgends mehr Zeit kosten als auf dem Autodromo Enzo e Dino Ferrari. 28 Sekunden, so die Strategen, dauert es, in die Box zu fahren und auf die Strecke zurückzukehren. Nirgends im gesamten Kalender ist der Verlust so hoch. Zusammen mit den Schwierigkeiten beim Überholen führt das zu einem klassischen Einstopp-Rennen.

Formel 1 vor strategischen Schachspiel in Imola

In der Theorie muss Perez auf seinen Soft-Reifen ohnehin als Erster zum Stopp kommen. Ist das am Ende für ihn sogar der Matchwinner, weil er einen aggressiven Undercut schafft? Der Mexikaner ist bekannt dafür, besonders schonend mit dem schwarzen Gold umzugehen.

Allerdings könnten die Verfolger zum Problem werden: Die Abstände waren im Qualifying extrem eng. Das Feld wird sich wohl nicht so schnell auseinanderziehen wie gewöhnlich. Erst wenn das Mittelfeld stoppt, könnte sich das Boxenfenster für die Spitzengruppe öffnen. Es könnte ein Schachspiel auf dem historischen Asphalt von Imola werden. Da hilft Red Bull die Überzahl besonders.

Wolff hofft noch auf Bottas

Kann Bottas vielleicht auch noch Hamilton helfen? Der Brite bezweifelt das: "Überholen hier ist sehr schwer, aber vielleicht kommt er doch durch." Teamchef Wolff ist zuversichtlicher: "Valtteri wird relativ schnell an der Gruppe dran sein, wenn die Softs zum Wechsel gehen und dann spielen wir mit."

Ein großes Fragezeichen sind dabei die Longruns. Max Verstappen konnte aufgrund seines Defekts am Freitag den Dauerlauf gar nicht erst ausprobieren. Sergio Perez war ordentlich, wenn auch nicht überwältigend unterwegs. Dem GP-Sieger aus 2020 fehlten ein bis zwei Zehntel auf die Mercedes. Dabei ist der Longrun seine besondere Stärke.

Formel 1, Imola 2021: Longruns auf Soft

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit
Leclerc 13 4 1:19,826
Gasly 17 8 1:20,253
Sainz 20 13 1:20,354
Tsunoda 19 10 1:20,362
Latifi 19 11 1:20,677
Norris 13 6 1:20,817
Ricciardo 10 3 1:20,904
Alonso 19 11 1:21,207
Räikkönen 16 8 1:21,267

Formel 1, Imola 2021: Longruns auf Medium

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit
Gasly 12 2 1:19,126
Leclerc 14 7 1:19,355
Bottas 18 5 1:19,613
Hamilton 19 5 1:19,759
Perez 18 9 1:19,853
Giovinazzi 16 7 1:20,332
Ocon 19 11 1:20,489
Stroll 18 11 1:20,771
Vettel 20 10 1:20,912
Ricciardo 13 2 1:21,028
Schumacher 6 5 1:22,065

Formel 1, Imola 2021: Longruns auf Hard

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit
Russell 19 12 1:20,614

Ein weiteres Fragezeichen steht hinter den härteren Reifen. Im Qualifyingtrimm war der Red Bull das schnellere Auto. Allerdings hat Mercedes in dieser Saison offenbar Probleme damit, das Maximum aus den weichen Reifen herauszuholen. Auf den Medium-Reifen drehte sich schon in Bahrain das Bild um - und auch im Q2 waren sowohl Hamilton, als auch Bottas schneller als Verstappen auf der C3-Mischung. Die große Soft-Stärke kann Verstappen im Rennen nicht ausspielen.

Extrawürze durch Regen in Imola?

Und dann bleibt da noch der Wettergott. Das bisherige Rennwochenende war kalt aber trocken. Für heute hatten die Meteorologen eigentlich Regen prognostiziert. Zuletzt sank das Regenrisiko aber in den Stunden vor dem Rennstart um 15:00 Uhr.

Fazit: Es ist angerichtet für einen spannenden Emilia Romagna GP. Max Verstappen sollte der schnellste Pilot sein, hat aber nicht die beste Ausgangsposition. Red Bull kann dafür mit der Strategie spielen. Auch Perez ist im Rennen um den Sieg. Und das Mittelfeld ist so nah an der Spitze dran, dass sich Mercedes und Red Bull keine ganz großen Patzer erlauben dürfen.