Zumindest bei der Startaufstellung hat sich das Zweitagesformat der Formel 1 noch nicht ausgezahlt. Auch in Imola starten beide Mercedes-Piloten vor Max Verstappen. Eine große Lotterie sieht anders aus. Aber die Formel 1 könnte 2020 wohl auf dem Mond fahren und auch noch das einzig verbliebene Training streichen, Lewis Hamilton und Valtteri Bottas würden die Pole Position unter sich aus machen, Verstappen würde sich dahinter auf Platz drei anstellen.

Formel 1 verurteilt Track Limits in Imola: Töten das Racing!: (13:56 Min.)

Wenn es vorne an der Spitze eine Überraschung gab, dann die Reihenfolge und die Abstände: Im Training gab noch Hamilton den Ton an, im Qualifying war dann Bottas in allen Abschnitten Schnellster. Max Verstappen musste sich nach einer guten Trainings-Vorstellung im Qualifying knapp sechs Zehntelsekunden einschenken lassen.

"Ich dachte nicht, dass ich vor ihnen wäre, aber ich dachte, dass es enger ist", so Verstappen. Der Niederländer war allerdings gehandicapt: Im Q2 fehlte ihm plötzlich Leistung. Die Ingenieure machten eine Zündkerze als Ursache aus, die Mechaniker tauschten den Übeltäter während der Session.

Für Verstappen war das Qualifying damit dahin, der Rhythmus gebrochen. Mit etwas Risiko qualifizierte er sich dennoch auf den Medium-Reifen für Q3. Damit gehen die drei Dominatoren an der Spitze allesamt auf der gleichen Mischung ins Rennen. Red Bull hat aus der Schmach von Portimao gelernt.

Das spezielle Format sorgte dafür, dass die Teams nur zehn Sätze Reifen für das Wochenende zur Verfügung haben statt der üblichen 13. Für das einzige Training hatte jeder Fahrer diesmal drei Sätze. Während sich Red Bull die einzigen beiden Sätze Medium aufsparte, probierte Mercedes die gelben Reifen aus.

"Eine kleine Überraschung war für uns, wie schlecht der Soft-Reifen am Vormittag war. Wenn wir das gewusst hätten, hätten wir das gleiche Trainingsprogramm absolviert wie Red Bull und Ferrari und uns einen Satz [Medium] fürs Qualifying aufgehoben", ärgerte sich Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin.

Formel 1 Imola 2020: Strategie-Vorhersage

  • Schnellste Strategie: Einstopp mit Soft (28-30 Runden) und Medium (33-35 Runden)
  • 2. schnellste Strategie: Einstopp mit Soft (24-27 Runden) und Hard (36-39 Runden)
  • 3. schnellste Strategie: Einstopp mit Medium (26-35 Runden) und Hard (28-37 Runden)
  • Deutlich langsamer: Zweistopp mit Soft (18 Runden), Medium (27 Runden) und Soft (18 Runden)

Mercedes hat somit nur den einen Satz Medium fürs Rennen, auf dem man auch startet. Unter normalen Umständen sollte ein Satz aber genügen: Pirelli rechnet mit einem klaren Einstopp-Rennen. Dabei müssen ohnehin zwei unterschiedliche Mischungen eingesetzt werden. Problematisch könnte es nur werden, wenn eine Safety-Car-Phase für einen zusätzlichen Stopp sorgt. Dann muss Mercedes möglicherweise auf Soft wechseln.

Bei normalen Bedingungen wird es für Red Bull aber schwierig, an Mercedes vorbeizugehen. Der große Vorteil, den die Bullen einst im Rennen gegenüber den Silberpfeilen hatten, scheint 2020 nicht mehr zu existieren. "Das hängt von der Strecke ab", erklärt Verstappen. "Auf Strecken, wo man bei der Energie etwas mehr am Limit ist, scheint es, als hätten wir nicht die gleiche Menge an Energie, die wir auf den Gerade freigeben können."

Mercedes warnt vor Red Bull im Rennen

Im Qualifying wird das Problem kaschiert, weil die Batterie für eine Runde vollgeladen ist. Im Rennen, bei konstanter Leistungsabgabe, scheint Mercedes bei der MGU-H mehr Energie ins System einspeisen zu können. Denn die Energiemenge der MGU-K ist vom Reglement vorgeschrieben.

"Aber so schlecht war es jetzt am Nürburgring zum Beispiel nicht", wirft Verstappen ein. Tatsächlich konnte er dort das gesamte Rennen über an Hamilton dranbleiben. Mercedes warnt deshalb auch vor dem WM-Dritten. "Wir sind uns nicht ganz sicher, wie unsere Pace im Vergleich zu jener von Red Bull aussehen wird", so Shovlin. "Sie schienen auf den Longruns heute am Morgen ungefähr gleichauf zu sein."

Die einzige Trainingssitzung des Wochenendes war allerdings etwas chaotisch. Nicht, weil es viele Unterbrechungen gegeben hätte, sondern weil die Teams unterschiedliche Programme fuhren. Das erschwert den Vergleich.

Formel 1 Imola 2020, Longruns auf Soft

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit
Hamilton 17 5 1:19,456
Verstappen 10 4 1:19,671
Bottas 19 8 1:19,929
Ocon 16 7 1:20,058
Stroll 16 8 1:20,155
Perez 17 10 1:20,160
Sainz 16 10 1:20,199
Albon 20 8 1:20,269
Ricciardo 13 4 1:20,613
Leclerc 21 9 1:20,971
Magnussen 18 7 1:21,272
Grosjean 19 8 1:21,275
Räikkönen 23 9 1:21,462

Formel 1 Imola 2020, Longruns auf Medium

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit
Gasly 24 13 1:18,677
Hamilton 14 1 1:18,773
Kvyat 28 13 1:18,992
Bottas 23 7 1:19,326
Magnussen 19 5 1:20,338
Stroll 15 5 1:21,065

Formel 1 Imola 2020, Longruns auf Hard

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit
Verstappen 24 7 1:19,024
Russell 15 13 1:19,860
Grosjean 17 6 1:20,122
Norrias 14 9 1:20,526
Perez 17 5 1:20,619
Vettel 27 12 1:20,840

Zwischen Mercedes und Red Bull gibt es nur einen relevanten Vergleichswert: Den Longrun auf Soft. Hier war Hamilton noch immer rund zwei Zehntelsekunden schneller als Verstappen. Bottas hatte etwas mehr zu kämpfen und war deutlich langsamer, allerdings fuhr er auch mehr Runden auf den Softs.

Dazu brauchte Bottas etwas länger, um sich einzuschießen. In Tamburello hatte der Finne lange Zeit Probleme, erst im Qualifying bekam er es richtig hin. Im Training fehlten ihm außerdem ein paar Runden, weil er den ersten Reifensatz aufgrund eines Bremsplattens vorzeitig ablegen musste.

Mercedes-WM-Kampf in Imola entspannt

Sollte sich das Rennen nicht außergewöhnlich entwickeln, können sich wohl nur die beiden Mercedes-Piloten untereinander ins Gehege kommen. Ob das Team das zulässt? Schließlich werden die Silberpfeile unter normalen Umständen die Konstrukteurs-WM gewinnen.

"Wir werden unseren Fahrern sagen, dass sie alles geben und hart gegeneinander kämpfen sollen - alles weitere wissen sie selbst und wir freuen uns darauf zu sehen, wie es ausgehen wird", verspricht Motorsportchef Toto Wolff.

WM-Leader Hamilton, der den Sack in der Fahrerweltmeisterschaft noch nicht zumachen kann, hat allerdings nicht allzu viel Hoffnung, auf ein Spektakel zwischen ihm und Bottas. "Ich bin mir relativ sicher, dass wir morgen ein ziemlich langweiliges Rennen erleben werden. Diese Strecke ist sehr eng und man kann nach der ersten Schikane nirgends gut überholen. Es wird also sehr hart, wenn man jemandem hinterherfahren muss."

"Es ist vielleicht sogar ein bisschen so wie Monaco", verdeutlich Hamilton. Allerdings gibt es im Fürstentum keinen besonders langen Sprint bis Kurve eins. Ganz anders in Imola. "Der Weg bis zur ersten Kurve ist einer der längsten des gesamten Jahres und Lewis sowie Max werden mich ganz sicher jagen", fürchtet Pole-Setter Bottas.

Formel-1-Mittelfeld verspricht in Imola Spannung

Vorne droht nach dem Start tatsächlich etwas Langeweile, dahinter sieht es komplett anders aus. Das ohnehin schon enge Mittelfeld ist in Imola noch enger beisammen und wird diesmal von Pierre Gasly im AlphaTauri angeführt. Dahinter startet Daniel Ricciardo im Renault vor Alexander Albon im Red Bull und Charles Leclerc im Ferrari.

Bei den Longruns besticht AlphaTauri, allerdings sind die Italiener im Training tendenziell etwas aggressiver unterwegs. Weil die Teams teilweise komplett unterschiedliche Programme fuhren, gibt es aber nicht besonders viel vergleichbare Daten. Spannend wird vor allem, wie sich Leclerc im Ferrari schlägt. Seine Longruns sahen schwach aus. Dabei soll Imola Ferrari den Aufwärtstrend der letzten Rennen eigentlich bestätigen.