Carlos Sainz' Gesicht sprach beim Formel-1-Rennen in Spa-Francorchamps Bände. Aufgrund eines Defekts an seinem McLaren Renault zum Zuschauen gezwungen, wurde er an den Bildschirmen Zeuge der desolaten Vorstellung von Ferrari. Sebastian Vettel und Charles Leclerc waren selbst gegen Alfa Romeo chancenlos. Angesichts der Erniedrigung seines zukünftigen Arbeitgebers durch die eigenen Kunden schrillen beim Spanier die Alarmglocken.

"Allgemein würde ich sagen, dass sie beim Motor einen großen Schritt machen müssen", mahnt Sainz, der im Mai als Ersatz für Sebastian Vettel einen Zweijahresvertrag bei der Scuderia unterzeichnete. Zwei Monate vor dem verspäteten Saisonstart in Österreich war die Krise in Maranello in diesem Ausmaß längst nicht abzusehen - trotz schwacher Testfahrten.

2019 noch das Maß aller Dinge, musste sich Ferrari für diese Saison von seiner kraftvollen Power Unit verabschieden. Ein Verstoß gegen das Reglement zwang die Italiener zur Abrüstung. Das Debakel auf der Highspeed-Rennstrecke von Spa offenbarte jedoch einen weitaus größeren Notstand, als bisher angenommen.

Gegenüber dem Vorjahr verloren die Roten im Qualifying 1,3 Sekunden pro Runde. "Ich denke, ihr Problem geht über den Motor hinaus. Sie haben auch insgesamt ein Problem mit dem Grip", erkannte Sainz noch bevor Kimi Räikkönen in der 15. Runde des Rennens ohne jegliche Anstrengung mit seinem Alfa Romeo an Vettel vorbeiging.

Ross Brawn sieht verunsicherten Carlos Sainz

Nach sieben Rennwochenenden hat Ferrari nur ein Podiun mehr als McLaren auf dem Konto. In der Weltmeisterschaft liegt McLaren als Dritter zwei Ränge vor Ferrari. Sieben WM-Punkte trennen noch- und zukünftigen Sainz-Arbeitgeber.

"Sainz muss wegen seines Wechsels zu Ferrari beunruhigt sein", sagt Ross Brawn. Der heutige Sportchef der Formel 1 war zwischen 1997 und 2006 als Technischer Direktor in Maranello an den Erfolgen des Teams mit Rekordweltmeister Michael Schumacher maßgeblich beteiligt.

"Was wie der Traumwechsel zu Ferrari im nächsten Jahr aussah, sieht im Moment nicht allzu gut aus. Da muss er zwangsläufig nervös sein, was seine Aussichten für die nächste Saison angeht", so der Brite weiter. Sainz' erster Auftritt für die Italiener liegt noch in weiter Ferne. Bis zu den Testfahrten für 2021 wird noch etwa ein halbes Jahr vergehen.

Sainz glaubt an Ferrari: Renault hat es auch geschafft

"Natürlich sind Ferrari die ersten, die darüber im Moment nicht glücklich sind. Wir sehen, wie sehr sie kämpfen", sagt Sainz. "Ferrari so weit hinten zu sehen, ist nicht normal." Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das im kommenden Jahr ändert, ist gering. Motor- sowie Chassisentwicklung wurden in vielen Bereichen stark eingeschränkt.

Doch selbst ohne diese Restriktionen sieht Sainz geringe Chancen auf einen schnellen Turnaround. Dass der Weg aus der Krise nicht innerhalb weniger Monate zu bewerkstelligen ist, weiß er aus vier Jahren Erfahrung mit Renault-Motoren. 2017 fuhr er im Toro Rosso mit Power Units aus Viry, danach folgten anderthalb Jahre im Werksteam und der Wechsel zu McLaren. "Renault hat drei Jahre gebraucht und Honda brauchte auch lange", sagt er.

In Spa-Francorchamps zeigte Renault mit beeindruckendem Topspeed auf. Der Aufwärtstrend der Gelben sowie die seit 2019 deutlich gesteigerte Performance McLarens machen Sainz Mut: "Die Tatsache, dass Renault es geschafft hat so dicht zu Mercedes aufzuschließen, zeigt, dass man zurückkommen kann."

Bei Ferrari sieht er dieselben Voraussetzungen, um sich erfolgreich aus der Misere zu befreien. "Wenn ein Team die Anlagen, die Ressourcen und Prüfstände hat, um sich zu verbessern, ist es Ferrari", ist er sicher. "Ich bin mir sicher, dass jeder dort mit Vollgas arbeitet, sie wenn ich dort ankomme bereits eine Verbesserung erzielt haben und wir den nächsten Schritt machen können."