Vor einer Woche ist Max Verstappen gelungen, was niemand für möglich gehalten hatte: Mercedes zu schlagen. Kann der Red-Bull-Pilot heute in Barcelona seinen zweiten Sieg der Formel-1-Saison 2020 holen? Oder haben Lewis Hamilton und Valtteri Bottas doch wieder die besseren Karten? Der Favoriten-Check zum Spanien GP.

Im Qualifying waren die schwarzen Silberpfeile einmal mehr eine Liga für sich. Sieben Zehntelsekunden brummte Pole-Setter Lewis Hamilton dem Rest der Welt auf. Nur Teamkollege Valtteri Bottas machte ihm das Leben schwer.

Hamilton-Pole Sieggarantie?

Am Ende setzte sich aber einmal mehr der sechsfache Formel-1-Weltmeister durch. Zum 92. Mal geht er heute bei einem Formel-1-Rennen von Startplatz eins aus in den Grand Prix, zum 150. Mal aus der ersten Reihe.

Formel 1: Ist Verstappen wirklich Favorit gegen Mercedes?: (12:14 Min.)

Die Hälfte aller Rennen, die Hamilton aus der ersten Reihe in Angriff nahm, gewann er am Ende auch. Barcelona ist zudem allgemeinhin nicht für besonders packende Rennen bekannt. Seit dem ersten Grand Prix dort im Jahr 1991 wurden nur drei Rennen nicht aus der ersten Startreihe gewonnen.

Zuletzt gelang dieses Kunststück Max Verstappen im Jahr 2016. Es war Verstappens erstes Rennen für Red Bull und sein erster Sieg überhaupt. Damals kegelten sich die beiden Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg gegenseitig aus dem Rennen.

Toto Wolff: Verstappen Favorit

Kann Verstappen dieses Kunststück heute aus eigener Kraft wiederholen? Glaubt man Mercedes Motorsportchef Toto Wolff, ist der Niederländer klarer Favorit: "Ich hoffe, wir können ihm einen harten Wettkampf bieten, aber Max muss - basierend auf seinen Longruns am Freitag - als Favorit angesehen werden."

Tatsächlich war Verstappens Longrun am Freitag stark. Auf Soft aber hatte Mercedes die Nase vorne. Sobald es auf den Medium-Reifen ging, war Verstappen stärker. Dabei gegen alle Top-Piloten auf den Soft-Reifen ins Rennen. Auch Red Bull setzte diesmal nicht auf den Medium-Reifen im Q2. "Der Soft ist gut genug für den Start. Normalerweise fällt die weichste Mischung sofort auseinander, aber ist es okay", erklärte der Niederländer.

Somit sollte sich Silverstone-Schauspiel im ersten Stint nicht wiederholen. Verstappen konnte auf seinen Hard-Reifen nicht nur an den Medium-bereiften Silberpfeilen dranbleiben, sondern setzte sie sogar richtig unter Druck.

Chance für Bottas und Verstappen am Start?

Auf gleichem Material, auf dem Mercedes auch noch ganz gut zurechtkommt, sollte das schwieriger werden. Zumal Barcelona auch noch deutlich überholfeindlicher ist als Silverstone. Dafür hat Verstappen am Start bessere Chancen: Im Gegensatz zu den Mercedes-Piloten hat er keinen Grip-Nachteil, dazu startet er diesmal direkt hinter den beiden.

Mit 612,5 Metern bis zum ersten Bremspunkt hat Verstappen außerdem reichlich Zeit, sich in den Windschatten zu setzen. Der Sprint zu Kurve eins in Barcelona ist einer der längsten des gesamten Jahres. Dem gegenüber steht allerdings die Mercedes-Power. Zuletzt konnten Hamilton und Bottas schon in der ersten Runde ordentlich Meter zwischen sich und dem ersten Verfolger bringen.

Der erste Stint wird für Verstappen also schwieriger als vor einer Woche. Doch dann stellen sich zahlreiche Fragen: Splittet Mercedes die Strategie, um sich gegen Red Bull zu verteidigen? Traut sich jemand, den Spanien GP mit nur einem Stopp zu absolvieren? Was machen Mercedes' Reifenprobleme?

Rennstrategie: Halten die Reifen?

Theoretisch ist eine Einstopp-Stratgie möglich. "Weil vorn alle auf Soft starten, ist das aber sehr unwahrscheinlich", meint Pirellis Reifenpapst Mario Isola. Der Verschleiß ist - trotz der härtesten Reifenmischungen - deutlich höher als in Silverstone. Deshalb rechnet Pirelli durch die Bank mit mindestens zwei Stopp. Der Soft-Reifen kommt dabei zweimal zum Einsatz, der Medium-Reifen einmal.

  • Schnellste Strategie: 2x 19 Runden Soft, 1x 28 Runden Medium
  • Schnellste Strategie: 3x 15 Runden Soft, 1x 21 Runden Medium
  • Schnellste Strategie: 1x 16 Runden Soft, 2x 25 Runden Medium

Was aber macht Mercedes mit den Reifen? In Silverstone vor einer Woche platzte dem Dauerweltmeister das schwarze Gold regelrecht auf. Blistering soweit das Auge reichte. In Barcelona werden noch höhere Temperaturen erwartet. Dazu gilt auch die Strecke an der Costa Brava als reifenmordend. Wiederholt sich das Favoritensterben?

Einerseits wählte Pirelli für den Spanien GP härtere Reifenmischungen. C2 und C3 überschneiden sich zwar, C4 kommt dafür heute nicht zum Einsatz. Je härter eine Mischung, desto höher ist ihr Arbeitsfenster. Die erste gute Nachricht für Mercedes.

Reifenmischung Arbeitsfenster
C1 110°C-140°C
C2 110°C-135°C
C3 105°C-135°C
C4 90°C-120°C
C5 85°C-115°C

Außerdem hat Pirelli die astronomisch hohen Reifendrücke aus Silverstone nicht mit nach Barcelona genommen. Dadurch wird die Auflagefläche wieder größer, Rder eifen wird gleichmäßiger belastet. Auch das hilft gegen Blistering. Die zweite gute Nachricht für Mercedes.

Und dann gibt es noch einen ganz entscheidenden Punkt: Der Circuit de Barcelona-Catalunya ist nicht Silverstone. Die Strecke ist reifenmordend, aber anders reifenmordend. Die Reifen verschleißen stärker. Das wiederum ist gut gegen Blistering. Denn die Pneus verlieren Gummi und dadurch auch Temperatur. Die dritte gute Nachricht für Mercedes.

"Nur die Temperaturen sind hier ähnlich, alles andere ist anders. Deshalb erwarte ich nicht, dass wir die gleichen Blistering-Probleme haben werden", gesteht auch Toto Wolff. Trotzdem warnt der Mercedes-Boss: "Hier gibt es mehr Verschleiß und mehr Überhitzen. Red Bull ist auch bei diesen Bedingungen der Meister."

Mercedes ohne Topspeed

Um dem etwas entgegenzusetzen, hat Mercedes den F1 W11 umgebaut. Beim Topspeed - sonst eine ausgesprochene Stärke - rangierten Hamilton und Bottas auf den hinteren Rängen. "Wir müssen unsere Lehren aus Silverstone ziehen und dazu gehört auch, den besten Kompromiss aus Geschwindigkeit und Abtrieb zu finden", so Wolff.

Wer ist nun Favorit: Verstappen oder Mercedes? Die heißen Temperaturen sprechen gegen Mercedes, aber Barcelona ist eben nicht Silverstone. Auf dem Papier sind die Silberpfeile klare Favoriten, auch wenn Verstappens Longruns teilweise besser aussahen. Der Red-Bull-Pilot muss diese Pace aber auch erst einmal ausfahren können. Mit zwei Mercedes vor der Nase wird das schwer.

Formel 1, Longruns Spanien GP 2020: Soft, C3

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit Stint
Bottas 15 6 1:22,839 1
Vettel 13 2 1:23,024 2
Hamilton 15 6 1:23,175 1
Verstappen 15 9 1:23,331 1
Stroll 15 10 1:23,727 1
Gasly 15 5 1:23,859 1
Leclerc 23 9 1:23,923 1
Perez 17 12 1:23,926 1
Ricciardo 12 6 1:23,944 1
Norris 17 8 1:24,095 1
Albon 17 8 1:24,103 1
Kvyat 17 8 1:24,117 1
Grosjean 20 11 1:24,293 1
Sainz 24 16 1:24,383 1
Magnussen 19 10 1:24,475 1
Ocon 24 15 1:24,524 1
Giovinazzi 15 7 1:24,600 2
Räikkönen 19 11 1:24,667 1
Latifi 16 7 1:25,458 1

Formel 1, Longruns Spanien GP 2020: Medium, C2

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit Stint
Verstappen 18 10 1:22,552 2
Hamilton 22 14 1:22,916 2
Leclerc 12 7 1:23,238 2
Magnussen 17 8 1:23,561 2
Albon 10 8 1:23,570 2
Ricciardo 22 14 1:23,574 2
Kvyat 22 13 1:23,961 2
Norris 21 8 1:24,114 2
Räikkönen 23 13 1:24,159 2
Vettel 23 12 1:24,330 1
Latifi 16 5 1:24,917 2
Giovinazzi 25 15 1:24,979 1
Russell 28 13 1:25,701 1

Formel 1, Longruns Spanien GP 2020: Hard, C1

Fahrer Reifen-Alter Stint-Länge Zeit Stint
Bottas 21 14 1:23,312 2
Gasly 24 14 1:23,832 2
Perez 22 12 1:23,850 2
Ocon 16 3 1:24,103 2
Stroll 24 13 1:24,431 2