Es ist ein Novum in der Formel 1: Noch nie wurden zwei Rennen innerhalb einer Woche auf der gleichen Strecke ausgetragen. Ob Österreich oder Steiermark GP: Beide Male wird auf dem Red Bull Ring in Spielberg gefahren. Macht die kuriose Konstellation die Trainings-Analyse überflüssig oder sogar spannender?

Für die Teams ist es eine einmalige Gelegenheit. Sie haben Richtwerte vom vorangegangenen Wochenende. Neue Teile oder Änderungen am Setup können perfekt miteinander verglichen werden. Vor allem Teams, die beim Auftakt Probleme hatten, kommt das spezielle back-to-back Wochenende zugute.

Stichwort Probleme: Ferrari brachte das für Ungarn angekündigte Update schon nach Österreich. Charles Leclerc probierte die neuen Teile. Das Paket fiel allerdings nicht allzu umfangreich aus, die Italiener lieferten eher Detailverbesserungen.

Vettel schraubt Ferrari-Erwartungen herunter: Hoffen auf Top-10

Platz neun von Leclerc sieht nicht gerade nach einem großen Sprung aus. Sebastian Vettel landete zwar nur auf Rang 16, allerdings wurde ihm die schnellste Runde aberkannt. Der Deutsche wäre in den Regionen des Teamkollegen gelandet.

Allerdings konzentrierte sich Vettel weniger auf neue Teile, als mehr auf die Probleme vom Sonntag. Entsprechend zufrieden war er trotz der langsamen Rundenzeit: "Heute war es wichtig, die Hausaufgaben zu machen. Und es hat sich besser angefühlt. Ich hoffe, dass das so bleibt."

Grenzenloser Optimismus von Vettel hört sich aber anders an: "Wir hoffen auf die Top-10. Letzte Woche hatten wir Probleme, da hinzukommen. Im Rennen sind wir stärker, da gilt es dann so weit nach vorne wie möglich zu kommen."

Dass sich Ferrari im Vergleich zur vergangenen Woche - auch mit neuen Teilen - nicht stark verbesserte, sieht Teamchef Mattia Binotto gelassen: "Es war heute viel heißer und wir müssen das Setup auch noch auf das neue Paket abstimmen."

Ferrari zieht bei Qualifying-Runs im Training nicht mit

Doch Ferrari deckte am Freitag auch noch nicht alle Karten auf. Weil am Samstag sintflutartige Regenschauer erwartet werden, könnten die Zeiten aus dem 2. Freien Training für die Startaufstellung herangezogen werden. Im Gegensatz zu Ferrari opferten alle anderen Teams deshalb einen zusätzlichen Reifensatz für die Zeitenjagd.

Nicht nur die Soft-Reifen wurden geopfert, auch die Motoren wurden etwas stärker als normalerweise am Freitag aufgedreht. Allerdings dürften die Teams dabei unterschiedliche Herangehensweise gewählt haben. Mercedes Motorsportchef Toto Wolff sprach bei seinem Rennstall von einer 'halbschwangeren' Herangehensweise.

Die Frage ist deshalb, was Max Verstappens Bestzeit wert ist. Red Bull hat den Honda-Motor wohl schon etwas mehr aufgedreht. In den ersten beiden Sektoren, die vor allem Motorpower fordern, fuhr Verstappen Bestzeit. Im letzten Sektor verlor der Niederländer hingegen.

Formel 1 Steiermark GP 2020, Sektorzeiten 2. Training

Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3
Verstappen 16,154 Verstappen 28,144 Bottas 19,134
Bottas 16,179 Perez 28,37 Perez 19,28
Stroll 16,2 Bottas 28,39 Hamilton 19,289
Perez 16,227 Sainz 28,564 Verstappen 19,309
Hamilton 16,23 Gasly 28,572 Albon 19,379
Sainz 16,256 Stroll 28,574 Norris 19,457
Kvyat 16,269 Norris 28,592 Stroll 19,464
Albon 16,322 Albon 28,668 Sainz 19,513
Raikkonen 16,348 Leclerc 28,678 Leclerc 19,6
Ocon 16,371 Ocon 28,699 Vettel 19,628
Vettel 16,379 Vettel 28,765 Ocon 19,676
Gasly 16,408 Hamilton 28,829 Gasly 19,744
Leclerc 16,428 Kvyat 28,843 Kvyat 19,766
Norris 16,455 Raikkonen 28,922 Latifi 19,776
Russell 16,496 Giovinazzi 28,925 Raikkonen 19,847
Ricciardo 16,514 Russell 29,147 Giovinazzi 19,864
Giovinazzi 16,576 Ricciardo 29,195 Magnussen 19,944
Grosjean 16,58 Magnussen 29,199 Russell 19,945
Magnussen 16,615 Latifi 29,217 Grosjean 20,018
Latifi 16,662 Grosjean 29,428 Ricciardo 24,781

Trotzdem war Verstappen zufrieden: "Das Auto hat sich schon besser angefühlt als letzte Woche. Die Balance ist viel besser und es ist schöner zu fahren. Wir haben unterschiedliche Richtung ausprobiert, um das Auto mehr zu verstehen und ich denke, wir gehen in die richtige Richtung."

Für Teamkollege Alexander Albon gilt das nicht. Der Thailänder verlor auf Rang sieben exakt 0,777 Sekunden und klagte den Freitag über starkes Untersteuern. "Wir waren kreativ dabei, verschiedene Dinge auszuprobieren", so Albon. "Einige Dinge haben funktioniert, einige nicht."

Hamilton läuft Anschluss an Bottas hinterher

Ähnlich sah es auch bei Mercedes aus. Während bei Rennsieger Valtteri Bottas alles nach Plan lief, hatte Lewis Hamilton Probleme. "Es fühlte sich heute relativ normal an, aber die Pace war relativ weit weg", so Hamilton. "Uns erwartet heute Abend also noch viel Arbeit, um den Grund dafür zu finden. Ich habe mich im ersten Training wohl gefühlt und auch zu Beginn der zweiten Session war alles gut. Aber danach fiel es immer weiter ab."

Mehr als sechs Zehntelsekunden fehlten dem Briten auf seinen Teamkollegen. Strecken-Chefingenieur Andrew Shovlin macht sich Sorgen: "Er kam mit dem Auto nicht annähernd an die Pace heran, die er am vergangenen Freitag hatte - sowohl mit Blick auf eine schnelle Runde als auch auf den Longruns."

Trotzdem gibt es auch für Hamilton gute Nachrichten: Die Zuverlässigkeitsprobleme sollten aussortiert sein. Mercedes brachte gerade noch rechtzeitig einen neuen Kabelbaum nach Österreich. Ein finales Urteil steht aber noch aus. Mercedes hatte sogar schon Enwicklungs-Teile für Ungarn im Gepäck. Zeitweise fuhren die Silberpfeile mit einem speziellen High-Downforce Heckflügel.

Ricciardo-Unfall torpediert Longruns

Überraschend stark zeigte sich Racing Point. Sergio Perez holte im 1. Training Bestzeit, am Nachmittag reichte es für ihn immerhin zu Rang drei. Der Mexikaner will sich aber noch nicht in die Karten schauen lassen: "Wir sollten mit beiden Autos im Kampf um die Punkte sein, so wie am letzten Wochenende." Tatsächlich aber scheint Racing Point einige Probleme der Vorwoche aussortiert und sich vom Mittelfeld abgesetzt zu haben.

Bei den Longruns war der zweite Freitag auf derselben Strecke nicht so ergiebig. Der Unfall von Daniel Ricciardo kostete knapp eine Viertelstunde Trainingszeit. Zusätzlich gingen die meisten Teams auf einen zweiten Versuch auf den Soft-Reifen, um eine provisorische Qualifying-Zeit zu setzen. Entsprechend blieb weniger Zeit für Longruns. Die Zeiten sind deshalb nicht besonders repräsentativ, weil die Runs in ihrer Länge und ihrem Zeitpunkt sehr unterschiedlich ausfielen.

Steiermark GP 2020, 2. Training Longruns auf Soft

Fahrer Zeit Runden Gefahren am
Sainz 1:08,974 4 Ende
Vettel 1:09,001 4 Ende
Bottas 1:09,493 17 Anfang
Norris 1:09,491 4 Anfang
Gasly 1:09,462 5 Anfang
Hamilton 1:09,645 5 Anfang
Stroll 1:09,687 11 Ende
Perez 1:09,713 16 Anfang
Ocon 1:09,740 23 Anfang
Kvyat 2:38,894 7 Anfang
Albon 1:10,147 9 Ende
Räikkönen 1:10,164 9 Anfang
Giovinazzi 1:10,193 11 Anfang
Russell 1:10,511 11 Anfang
Magnussen 1:10,944 10 Ende
Grosjean 1:10,956 10 Ende
Latifi 1:11,162 10 Anfang

Steiermark GP 2020, 2. Training Longruns auf Medium

Fahrer Zeit Runden Gefahren am
Verstappen 1:09,192 13 Anfang
Leclerc 1:09,317 16 Anfang
Perez 1:09,476 16 Ende
Vettel 1:09,642 17 Anfang
Stroll 1:09,815 19 Anfang
Sainz 1:09,883 23 Anfang
Grosjean 1:10,652 7 Anfang
Giovinazzi 1:10,746 9 Ende
Latifi 1:10,882 18 Ende

Steiermark GP 2020, 2. Training Longruns auf Hard

Fahrer Zeit Runden Gefahren am
Kvyat 1:09,914 8 Ende
Norris 1:09,985 9 Ende
Russell 1:10,253 4 Ende
Albon 1:10,385 6 Anfang