Fünf Rennen, fünf Siege. Für Mercedes läuft in der Formel-1-Saison 2019 alles rund. Nach dem Aserbaidschan GP schienen Statistiken und WM-Stände eher schmeichelhaft, nach dem Spanien GP nur die logische Konsequenz. Ferrari erlebte in Barcelona dafür ein böses Erwachen.

Die ersten Rennen blieb Ferrari aus unterschiedlichen Gründen hinter dem eigenen Potential zurück. In Bahrain und Baku war die Pace aber da. In Barcelona musste endlich die Trendwende kommen. Hier gab es keine Ausreden mehr, hier dominierte Ferrari die Wintertests. Und dann folgte auf der Strecke die bittere Klatsche. Ferrari war das gesamte Wochenende völlig chancenlos.

Acht Zehntelsekunden fehlten im Qualifying auf Mercedes, im Rennen holte sogar erstmals in dieser Saison Red Bull mehr Punkte als Ferrari. Es war der rote Super-GAU.

Ferrari fuhr im Qualifying sogar langsamer als während der Testfahrten. Die Statistik ist mit Vorsicht zu genießen, weil im Winter alle Reifenmischungen zum Einsatz kamen. Am Rennwochenende lieferte Pirelli die drei härtesten Mischungen. Aber fest steht: Von den drei Top-Teams machte Ferrari den kleinsten Schritt.

Ferraris Technik-Upgrades funktionieren - aber reichen nicht

Wie alle Teams brachte auch Ferrari in Barcelona Upgrades. "Die funktionieren gut, es war wie erwartet", lobte Teamchef Mattia Binotto auch noch. Dabei weiß man nicht, ob das nun gut oder schlecht sein soll. Updates, die nicht funktionieren, deuten meist auf Probleme bei der Korrelation zwischen Windkanal und Strecke hin. Updates, die funktionieren und den Rückstand trotzdem anwachsen lassen, deuten andere fundamentale Probleme an.

Mercedes brachte ein größeres Upgrade als Ferrari, weil die Scuderia die ersten Teile schon in Baku zeigte. In Barcelona wurde das Ferrari-Paket mit einem neuen Frontflügel und einem neuen Heckflügel komplettiert. Dazu gab es sogar noch extra-PS von einem überarbeiteten Verbrennungsmotor.

Ferraris Probleme waren offensichtlich: Kurven. Vor allem im letzten Sektor verloren Sebastian Vettel und Charles Leclerc. "Weil es im ersten und zweiten Sektor noch Geraden gibt, die das kompensieren", erklärte Vettel. Es gab also gar kein konkretes Problem mit langsamen Kurven. "Wir verlieren in allen Kurven", musste Binotto gestehen.

Formel 1 Spanien GP 2019 Qualifying: Sektorzeiten

Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3
Vettel 21,284 Bottas 28,04 Bottas 25,878
Bottas 21,488 Hamilton 28,116 Hamilton 26,112
Leclerc 21,537 Verstappen 28,274 Verstappen 26,322
Hamilton 21,56 Vettel 28,357 Gasly 26,358
Sainz 21,634 Leclerc 28,405 Leclerc 26,513
Grosjean 21,664 Gasly 28,429 Vettel 26,611
Verstappen 21,685 Magnussen 28,438 Magnussen 26,612
Raikkonen 21,705 Grosjean 28,448 Kvyat 26,702
Ricciardo 21,713 Kvyat 28,701 Ricciardo 26,749
Norris 21,732 Norris 28,733 Grosjean 26,765
Albon 21,796 Ricciardo 28,761 Norris 26,811
Kvyat 21,802 Sainz 28,791 Albon 26,848
Magnussen 21,833 Albon 28,801 Raikkonen 26,973
Gasly 21,833 Perez 28,908 Perez 27,015
Stroll 21,835 Stroll 28,997 Hulkenberg 27,118
Giovinazzi 21,852 Raikkonen 29,055 Sainz 27,128
Perez 21,886 Hulkenberg 29,063 Stroll 27,55
Hulkenberg 21,979 Giovinazzi 29,097 Giovinazzi 27,559
Russell 22,113 Russell 29,4 Russell 27,559
Kubica 22,227 Kubica 29,726 Kubica 28,097

Auf den Geraden ging der Ferrari wie Hölle. Im Qualifying dominierte der SF90 nicht nur die Topspeed-Wertung, sondern auch die Geschwindigkeitsmessung am Ende von Sektor 1. Dort ist das DRS geschlossen. Ferrari hat also nicht nur Power, sondern auch wenig Luftwiderstand.

Spanien GP 2019 Barcelona Qualifying: Topspeeds

POS Fahrer Speed Trap Fahrer Sektor 1
1 Leclerc 325 Leclerc 295,3
2 Vettel 324,2 Vettel 294,1
3 Ricciardo 324 Raikkonen 292
4 Stroll 323,5 Norris 291,8
5 Sainz 323,1 Verstappen 291,8
6 Perez 322,4 Giovinazzi 291,7
7 Raikkonen 322,1 Sainz 291,4
8 Norris 321,8 Albon 291,3
9 Kvyat 321,8 Stroll 291,2
10 Albon 320,9 Perez 291,1
11 Bottas 319,9 Kvyat 290
12 Giovinazzi 319,8 Hulkenberg 289,6
13 Hamilton 319,6 Gasly 289,3
14 Magnussen 318,6 Ricciardo 288
15 Hulkenberg 318,2 Hamilton 287,6
16 Grosjean 318,2 Grosjean 287,6
17 Gasly 317,2 Magnussen 287
18 Verstappen 316,4 Bottas 286,6
19 Russell 316,2 Kubica 280,7
20 Kubica 313,4 Russell 280,3

Doch warum kauft sich Ferrari dann nicht für Luftwiderstand einfach mehr Abtrieb? "Ist es nur Abtrieb oder ist es mehr? Das müssen wir analysieren und verstehen", sagte Binotto zu Motorsport-Magazin.com. "Heute wäre jede Schlussfolgerung eine falsche Schlussfolgerung. Es wird ein paar Tage brauchen, um eine richtige Analyse vorzunehmen und es zu verstehen."

"Es ist eine Frage der Balance? Ist es eine Frage des Abtriebs? Ist es vielleicht sogar das Fahrzeugkonzept? Ich weiß es nicht. Wir haben die Antwort noch nicht", fuhr Binotto fort. Da war es, das gefürchtete Wort: Fahrzeugkonzept.

Frontflügel-Philosophie Ferraris Problem?

Sind Ferrari möglicherweise die Hände gebunden, weil das Fahrzeugkonzept nicht passt? Inzwischen deutet einiges darauf hin. Vor allem eine Aussage des Teamchefs: "Wir haben ziemlich viel Untersteuern."

Viel wurde zu Saisonbeginn über die unterschiedlichen Frontflügel-Philosophien gesprochen. Bei Ferrari fallen die Flaps zur Endplatte hin stark ab und stehen fast waagrecht. Bei Mercedes oder Red Bull beispielsweise stehen sie dort extrem steil.

Die Frontflügel aller Teams beim Barcelona-TestFoto: Sutton

Ferraris Konzept ist darauf ausgelegt, den Luftfluss nach hinten zu optimieren. Nachteil: Durch die abfallenden Flaps generiert der Frontflügel selbst nicht so viel Abtrieb. Ferrari scheinen deshalb die Hände gebunden zu sein: Wenn die Ingenieure hinten mehr Abtrieb bringen, müssten sie vorne auch nachlegen, um die Untersteuer-Problematik nicht zu verschärfen. Doch der kleine Frontflügel hilft nicht dabei, vorne Abtrieb zu finden.

Ferraris Frontflügel im DetailFoto: Sutton

Warum war Ferrari beim Wintertest so stark?

Bei den Wintertests sah es noch ganz anders aus. Damals mutmaßten schon viele, Mercedes und Red Bull hätten sich verrannt. Wie kann das sein? Zu Beginn eines neuen Reglements sind die Entwicklungsschritte sehr groß. Weil die Ingenieure offenbar mehr Abtrieb gefunden haben als ursprünglich erwartet, scheinen Ferrari und Co. nun am Frontflügel an ihre Grenzen zu stoßen.

Die Gefahr ist nun, dass Ferrari im Entwicklungsrennen immer weiter zurückfällt, weil der Frontflügel nicht mit der restlichen Entwicklung schritthalten kann. Red Bull ist größer in Ferraris Rückspiegel als Mercedes am Horizont.

Bedeutet das schon das Ende aller Titel-Ambitionen? "Wir werden niemals aufgeben", verspricht Binotto. "Jede Strecke ist anders. Schon Monaco wird anders als Barcelona sein. Unser Auto hat Schwächen, aber es hat auch Stärken."

Ferrari in BarcelonaFoto: LAT Images

Doch realistisch gesehen muss Ferrari den Titel fast schon jetzt abschreiben. Wäre es ein Desaster, wenn sich Ferraris Konzept als falsch erweist? "Ich glaube nicht, dass es ein Desaster wäre, solange man sich als Team verbessert", so Binotto. "Wir sind ein junges Team, wir befinden uns in einer Lernphase. Bei den Prozessen und Methoden gibt es noch viel zu lernen. Wenn es eine konzeptionelle Sache ist, hängt es davon ab, wo genau das Problem liegt. Es gibt Dinge, die man während der Saison angehen kann."

In der aktuellen Print-Ausgabe von Motorsport-Magazin.com gibt es ein großes Technik-Special mit Experte Jörg Zander. Darin geht es auch um die unterschiedlichen Frontflügel-Konzepte.