Valtteri Bottas vor Lewis Hamilton und Sebastian Vettel - das Ergebnis im Qualifying zum Großen Preis von Spanien kam nicht unbedingt überraschend. Nach dem Verlauf des bisherigen Wochenendes in Barcelona kam auch der gigantische Abstand von fast neun Zehntelsekunden nicht unerwartet. Steht Mercedes damit beim fünften Rennen zur Formel-1-Saison 2019 vor dem fünften Doppelsieg oder können Ferrari und Red Bull noch etwas ausrichten?

Zunächst die Ausgangslage: Zum dritten Mal in Folge startet Valtteri Bottas von der Pole Position. Zum dritten Mal in Folge hat die Hammertime für Lewis Hamilton damit nicht ausgereicht, um das teaminterne Duell zu gewinnen. Diesmal lagen sogar sechs Zehntel zwischen beiden. Seit Baku führt Bottas auch die Weltmeisterschaft wieder an. Muss man sich Sorgen machen um Hamilton oder hatte Hamilton nur ein schlechtes Qualifying?

Bottas auch in Spanien stärker als Hamilton

"Es hatte nichts mit dem Qualifying zu tun, es geht um das gesamte Wochenende und das Gefühl, das ich im Auto habe", gab der Brite zu. "Ich muss daran arbeiten, aber ich glaube es liegt nicht daran, wie ich das Qualifying angehe. Aber ich sehe mir natürlich alle Lösungen an und ich werde es irgendwann hinbekommen."

Tatsächlich haderte Hamilton schon das ganze Wochenende mit dem Silberpfeil. Ob im Shortrun oder im Longun: Bottas war schneller. Auch die Wochenenden zuvor fühlte er sich nicht rundum wohl im Auto. Selbst in Bahrain bekam er es erst in letzter Sekunde hin und holte Pole. Bottas ist derzeit tatsächlich der schnellere der beiden Mercedes-Piloten.

Vettel liefert, aber Ferrari schlicht zu langsam

Dahinter starten Sebastian Vettel und Max Verstappen aus Reihe zwei. Verstappen konnte immerhin Charles Leclerc im zweiten Ferrari hinter sich lassen. Der Monegasse hatte nach einem kleinen Ausritt im Q2 ein leicht beschädigtes Auto und im letzten Qualifying-Abschnitt nur noch einen Satz Reifen zur Verfügung. Für ihn ging es nur noch um Schadensbegrenzung.

Doch egal was bei Leclerc losgewesen wäre, mehr als Platz drei wäre nicht drin gewesen. Denn trotz des gigantischen Rückstands war Teamkollege Vettel mit seiner Runde zufrieden. Ferrari ist einfach zu langsam. Auf einer Strecke, auf der man beim Wintertest noch rundum zufrieden war.

Barcelona-Qualifying im Sektorzeiten-Check

Sektor 1 Sektor 2 Sektor 3
Vettel 21,284 Bottas 28,04 Bottas 25,878
Bottas 21,488 Hamilton 28,116 Hamilton 26,112
Leclerc 21,537 Verstappen 28,274 Verstappen 26,322
Hamilton 21,56 Vettel 28,357 Gasly 26,358
Sainz 21,634 Leclerc 28,405 Leclerc 26,513
Grosjean 21,664 Gasly 28,429 Vettel 26,611
Verstappen 21,685 Magnussen 28,438 Magnussen 26,612
Raikkonen 21,705 Grosjean 28,448 Kvyat 26,702
Ricciardo 21,713 Kvyat 28,701 Ricciardo 26,749
Norris 21,732 Norris 28,733 Grosjean 26,765
Albon 21,796 Ricciardo 28,761 Norris 26,811
Kvyat 21,802 Sainz 28,791 Albon 26,848
Magnussen 21,833 Albon 28,801 Raikkonen 26,973
Gasly 21,833 Perez 28,908 Perez 27,015
Stroll 21,835 Stroll 28,997 Hulkenberg 27,118
Giovinazzi 21,852 Raikkonen 29,055 Sainz 27,128
Perez 21,886 Hulkenberg 29,063 Stroll 27,55
Hulkenberg 21,979 Giovinazzi 29,097 Giovinazzi 27,559
Russell 22,113 Russell 29,4 Russell 27,559
Kubica 22,227 Kubica 29,726 Kubica 28,097

Schlusssektor Gift für Ferrari, Topspeed besser

Ferrari verliert alles in den Kurven. Alleine im letzten Sektor fehlen Vettel fast acht Zehntel auf die Bestzeit von Bottas. "Da gibt es keine Geraden. Im ersten und zweiten Sektor können wir den Zeitverlust auf den Geraden kompensieren", erklärt Vettel.

"Wir fahren offenbar mit weniger Flügel", schiebt Vettel nach. Die Geschwindigkeitsmessungen bestätigen das. Am Ende von Start und Ziel wurde Leclerc mit 325,0 gemessen, Bottas mit 319,9 Stundenkilometern. Am Ende von Sektor eins ist der Unterschied sogar größer, weil am Ausgang von Kurve drei DRS nicht geöffnet werden darf. Leclerc erreichte hier 295,3, Hamilton als schnellerer Mercedes 287,6 Stundenkilometern.

Spanien GP 2019 Barcelona, Topspeeds im Qualifying

POS Fahrer Speed Trap Fahrer Sektor 1
1 Leclerc 325 Leclerc 295,3
2 Vettel 324,2 Vettel 294,1
3 Ricciardo 324 Raikkonen 292
4 Stroll 323,5 Norris 291,8
5 Sainz 323,1 Verstappen 291,8
6 Perez 322,4 Giovinazzi 291,7
7 Raikkonen 322,1 Sainz 291,4
8 Norris 321,8 Albon 291,3
9 Kvyat 321,8 Stroll 291,2
10 Albon 320,9 Perez 291,1
11 Bottas 319,9 Kvyat 290
12 Giovinazzi 319,8 Hulkenberg 289,6
13 Hamilton 319,6 Gasly 289,3
14 Magnussen 318,6 Ricciardo 288
15 Hulkenberg 318,2 Hamilton 287,6
16 Grosjean 318,2 Grosjean 287,6
17 Gasly 317,2 Magnussen 287
18 Verstappen 316,4 Bottas 286,6
19 Russell 316,2 Kubica 280,7
20 Kubica 313,4 Russell 280,3

Angesichts dieser Werte und dem großen Zeitverlust in den Kurven muss die Frage erlaubt sein, warum Ferrari nicht auf mehr Abtrieb setzt. Doch Vettel wiegelt ab: "Wir haben gestern viel versucht und heute nochmal. Wir haben verschiedene Richtungen eingeschlagen. Ich denke, dass wir heute das Beste aus unserem Auto herausgeholt haben."

Vettel sieht dank Topspeed-Vorteil noch Chancen

Vettel glaubt sogar noch an eine Chance im Rennen: "Ich bin mit Platz drei froh. Es gibt uns eine gute Chance für morgen und wir freuen uns auf das Rennen. Der Topspeed wird uns sicherlich dabei helfen, auf der ersten Geraden Druck auf sie auszuüben."

Doch ob der Topspeed reicht, um Mercedes ernsthaft unter Druck zu setzen? Die Longruns sagen nein. Am Freitag war Mercedes auf Soft und Medium deutlich schneller als die restliche Formel-1-Welt. Nur auf Hard konnte Charles Leclerc mit dem Run von Lewis Hamilton mithalten. Allerdings hatte der Mercedes-Pilot sichtlich Probleme bei seinem Run.

Formel 1 Barcelona, Longruns auf Soft

Fahrer Stint-Länge Reifen-Alter Durchschntl. Zeit
Bottas 21 7 1:22,592
Hamilton 23 7 1:22,687
Vettel 24 9 1:23,089
Verstappen 23 8 1:23,129
Leclerc 31 16 1:23,272

Formel 1 Barcelona, Longruns auf Medium

Fahrer Stint-Länge Reifen-Alter Durchschntl. Zeit
Bottas 17 10 1:21,995
Vettel 24 17 1:22,707
Verstappen 15 7 1:22,852

Formel 1 Barcelona, Longruns auf Hard

Fahrer Stint-Länge Reifen-Alter Durchschntl. Zeit
Leclerc 18 11 1:22,630
Hamilton 19 11 1:22,706

Mercedes-Duell: Sprint zu Kurve eins entscheidet

Bottas in Topform, Hamilton mit leichten Problemen, der Rest der Welt weit, weit weg von Mercedes - ist das Ergebnis damit schon klar? Auch in China sah alles nach einem Bottas-Sieg aus, doch Hamilton gewann den Start und damit war das Rennen entschieden.

Der Sprint zur ersten Kurve wird für die Mercedes-Piloten entscheidend. Mit 564,7 Metern von Pole Position zum Scheitelpunkt von Kurve eins ist der Sprint in Barcelona extrem lang. Hier wurden schon einige Spanien GP entschieden.

Crash-Gefahr bei Mercedes wie 2016?

Birgt der Zweikampf zwischen Hamilton und Bottas am Start deshalb besonderes Konfliktpotential? Der Weltmeister hat nach Baku bereits angekündigt, in Zukunft etwas aggressiver zu Werke zu gehen. Zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg krachte es 2016 in Spanien am Start.

"Es fühlt sich nicht gemütlich für uns an", gesteht Mercedes Teamchef Toto Wolff. "Jeder weiß, dass die erste Kurve in Barcelona sehr wichtig ist, sie kann rennentscheidend sein. Aber beide waren sehr respektvoll miteinander auf und abseits der Strecke. Wir sind in einer anderen Situation als 2016. Wir wissen sehr wohl, dass es Rivalität zwischen den beiden gibt und sie sich auch intensivieren wird, je länger die Meisterschaft geht, wenn es zwischen den beiden um etwas geht. Wir müssen das transparent angehen. Wie an jedem Sonntag, werden wir diese Szenarien durchspielen und ein paar Videos zeigen..."

Vettel muss auch Verstappen fürchten

Vettel hat somit genau zwei Chancen: Gleich am Start vorbeigehen oder eine Kollision zwischen den beiden Mercedes-Piloten. Wobei selbst bei einem guten Start fraglich ist, ob Ferrari Mercedes bei diesem Pace-Unterschied hinter sich halten kann.

Stattdessen muss Vettel eher Verstappen von hinten fürchten. "Unsere Pace im Longrun ist gut und im Rennen sind wir normalerweise etwas konkurrenzfähiger. Deshalb bin ich optimistisch. Mercedes ist schnell, aber ich denke, wir können um ein Podium kämpfen", meint Max Verstappen selbst.

Bei den Longruns am Freitag waren Vettel und Verstappen fast auf dem exakt gleichen Niveau, doch der Niederländer hatte am Freitag noch größere Probleme. Red Bull hat über Nacht den größeren Schritt gemacht. Auch Leclerc sollte man nicht unterschätzen. Der Monegasse machte am Wochenende wieder den etwas stärkeren Eindruck der beiden Ferrari-Piloten.