Formel-1-Tests sind so eine Sache: Jeder freut sich, endlich wieder Autos fahren zu sehen. Jeder weiß aber auch, dass es nur Testfahrten sind und will in keine Rundenzeit, in keinen Trend, in nichts zu viel hineininterpretieren. Trotzdem spekuliert jeder wie wild, jeder will die erste Rangliste der Saison.

2018 ist es nach der ersten Testwoche besonders schwer, irgendwelche Erkenntnisse aus dem Test in Barcelona zu ziehen. Schlechtes Wetter, Temperaturen um den Gefrierpunkt, ja teilweise sogar Schnee ließen den offiziellen Formel-1-Test zeitweise zur Farce verkommen.

Und trotzdem will jeder wissen: Was ist denn nun? Ist Mercedes wieder vorne? Kann Ferrari mehr als nur mithalten? Ist Red Bull endlich wieder dabei? Was macht McLaren ohne Honda? Und wie ergeht es Toro Rosso mit Honda? Fragen über Fragen, nur wenig Antworten.

Da die Zeitnahme ja auch trotz der schlechten Bedingungen funktioniert, haben wir die Bestzeiten der gesamten Testwoche trotzdem einmal zusammengestellt. Wir lassen sie aber weitgehend unkommentiert - die spannenderen Erkenntnisse kommen noch, versprochen.

Rangliste: Bestzeiten Barcelona I 2018

Rang Fahrer Team Zeit Rückstand Reifenmischung Runden
1 Lewis Hamilton Mercedes 1:19,333 Medium 69
2 Sebastian Vettel Ferrari 1:19,673 0,340 Soft 98
3 Stoffel Vandoorne McLaren 1:19,854 0,521 Hypersoft 110
4 Valtteri Bottas Mercedes 1:19,976 0,643 Medium 94
5 Daniel Ricciardo Red Bull 1:20,179 0,846 Medium 103
6 Kevin Magnussen Haas 1:20,317 0,984 Supersoft 96
7 Max Verstappen Red Bull 1:20,326 0,993 Medium 67
8 Kimi Räikkönen Ferrari 1:20,506 1,173 Soft 80
9 Nico Hülkenberg Renault 1:20,547 1,214 Soft 73
10 Fernando Alonso McLaren 1:20,929 1,596 Supersoft 51
11 Carlos Sainz jr, Renault 1:20,940 1,607 Medium 59
12 Lance Stroll Williams 1:21,142 1,809 Soft 54
13 Pierre Gasly Toro Rosso 1:21,318 1,985 Soft 82
14 Robert Kubica Williams 1:21,495 2,162 Soft 46
15 Sergey Sirotkin Williams 1:21,822 2,489 Soft 52
16 Esteban Ocon Force India 1:21,841 2,508 Soft 79
17 Sergio Pérez Force India 1:21,973 2,640 Soft 65
18 Brendon Hartley Toro Rosso 1:22,371 3,038 Soft 93
19 Romain Grosjean Haas 1:22,578 3,245 Soft 55
20 Charles Leclerc Sauber 1:22,721 3,388 Soft 81
21 Marcus Ericsson Sauber 1:23,408 4,075 Soft 63
22 Nikita Mazepin Mercedes 1:25,628 6,295 Medium 22

Weil wir die Reifenmischungen zur jeweiligen Bestzeit hinzugefügt haben, erwarten die meisten wohl eine Delta-Zeit, also jene Angabe, die sagt, wie viel schneller eine Reifenmischung als die andere ist. Aber auch Pirelli hat nach der ersten Testwoche keine verlässlichen Daten dazu - also ersparen wir uns und euch die lästige Rechenarbeit an dieser Stelle.

McLaren setzt bei Testfahrten auf Hypersoft

Interessant jedoch: McLaren setzt vermehrt schon auf den Hypersoft-Pneu. Wollte der Rennstall damit nur Rundenzeiten setzen? Die Antwort lautet nein. Bei den extremen Bedingungen war es nur wichtig, den Reifen zum Arbeiten zu bekommen. Das funktioniert beim Hypersoft am besten, weil dessen Mischung die niedrigste Arbeitstemperatur hat.

Tatsächlich war auch der Medium bei vielen Teams beliebt, obwohl man annehmen könnte, dass er bei den kalten Temperaturen überhaupt nicht auf Temperatur kommen würde. Allerdings sind die lateralen Kräfte in Barcelona extrem hoch, so dass auch mechanische Widerstandsfähigkeit eine Rolle spielt - deshalb griffen viele auch zum Medium.

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Erschwert werden die Werte, weil der Circuit de Barcelona-Catalunya im Winter neu asphaltiert wurde. Das neue Asphaltband ist nicht nur topfeben im Hinblick auf Bodenwellen, sondern auch sehr feinporig. Mikro- und Makro-Rauheit haben sich im Vergleich zum alten Asphalt um den Faktor drei verändert.

"Deshalb war auch der Hypersoft ein Reifen, mit dem man hier fahren konnte", erklärt Pirellis Formel-1-Einsatzchef Mario Isola. "Auf dem alten Asphalt hätte er nur eine halbe Runde gehalten."

F1 Test 2018: Toro Rosso Honda fährt meisten Runden

Eine etwas aussagekräftigere Statistik sind die Laufleistungen. Völlig überraschend fuhr Toro Rosso mit dem Honda-Aggregat die meisten Runden aller Teams. Insgesamt kam der Rennstall aus Faenza auf 324 Umläufe, Mercedes und Ferrari reihten sich dahinter ein.

Team Runden
1 Toro Rosso 324
2 Mercedes 306
3 Ferrari 298
4 Sauber 283
5 Renault 272
6 McLaren 257
7 Williams 227
8 Red Bull 207
9 Haas 185
10 Force India 166

Natürlich halfen die kühlen Temperaturen, denn zu Überhitzungsproblemen sollte es bei 0 Grad nicht kommen, zudem wird bei Tests die volle Leistung noch nicht freigegeben. Dennoch war es eine starke Vorstellung von Toro Rosso Honda.

Mit 257 Runden blieb Hondas Ex-Partner McLaren nur der sechste Rang in dieser Statistik. Fernando Alonso sorgte mit einem Abflug wegen eines verlorenen Rades für den größten Zwischenfall. Auch später gab es noch ein paar kleine Pannen am McLaren.

Nachdem Red Bull die Herangehensweise grundlegend geändert hatte und das Auto schon deutlich früher fertiggestellt hatte, als in den Jahren zuvor, legte Daniel Ricciardo am ersten Tag gleich los wie die Feuerwehr. Viele Runden, eine starke Zeit. "Wir sind zum ersten Mal in den letzten sechs bis acht Jahren sortiert zum Test gekommen mit dem Ergebnis, das wir die meisten Runden gefahren sind", freute sich Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko bei Motorsport-Magazin.com.

Allerdings blieb die Freude nicht lange, in den nächsten Tagen wurde Red Bull vom Defektteufel heimgesucht, die beiden Piloten Daniel Ricciardo und Max Verstappen trugen mit Drehen ins Kiesbett ebenfalls dazu bei, dass es nicht mehr wirklich rund lief.

Formel-1-Testfahrten entscheiden über Reifenwahl 2018

Auch wenn die Zeiten nicht relevant sind, haben die Testfahrten einen großen Einfluss auf die Reifenwahl für die Saison: Am 08. März muss Pirelli die Reifenmischungen für den Spanien GP nominieren. Nach den bisherigen Ergebnissen könnte die Wahl durchaus weicher ausfallen. Weil die Deadline für den Kanada GP nach hinten versetzt wurde, beeinflussen die Ergebnisse des Tests auch schon in die Reifenwahl für Montreal.

Dank der schlechten Bedingungen erhielt Pirelli zahlreiche relevante Daten über Intermediates und Full-Wets. In den vergangenen Jahren wurde die Strecke dafür einen Tag lang künstlich bewässert, was nur bedingt funktionierte.

Neue Regenreifen wurden getestet

Die Teams hatten dabei die Wahl zwischen Standard-Intermediate oder einer weicheren Mischung und einem Standard-Regenreifen und dessen weicherer Version. Auch wenn der neue Asphalt noch nicht besonders gut bei nassen Bedingungen funktionierte - er muss erst ausschwitzen -, zeigten die Crossover-Zeiten gute Werte.

Der Crossover-Punkt von Slicks auf Intermediates, also der Zeitpunkt, an dem es besser ist, mit Intermediates zu fahren als mit Slicks, blieb bei 112 Prozent der Slick-Rundenzeit. Der Crossover-Punkt zwischen Regen- und Intermediate-Reifen wurde etwas höher, liegt nun bei rund 124 Prozent.

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In Barcelona II soll Rundenrekord fallen

Mit 1:18,634 Minuten liegt die Testbestzeit des vergangenen Jahres erstaunlich nah an der Bestzeit von Lewis Hamilton der ersten Testwoche 2018 - trotz neuer Autos, trotz neuen Asphalts, trotz neuer, deutlich weicherer Reifen.

Teils ist das den schlechten Bedingungen geschuldet. Allerdings konzentrieren sich die Teams in der ersten Testwoche traditionell noch eher auf Funktionstests, als auf Performance-Runs. In der zweiten Testwoche von 06. bis 09. März werden Zeiten im 1:17er Bereich erwartet - und damit die schnellsten Rundenzeiten, die auf der aktuellen Streckenvariante jemals gefahren wurden. Den aktuellen Rekord hält Felipe Massa mit 1:18,339 aus dem Jahr 2008.

Formel 1 2018: Halo hässlich aber kein Problem

Rund 1,5 Zehntelsekunden kostet der Cockpitschutz Halo. Wegen des Titanbügels wurde das Zusatzgewicht von 728 auf 733 Kilogramm erhöht. In Barcelona fuhren erstmals alle Piloten mit Halo. Die Skepsis gegenüber der Ästhetik blieb, wirkliche Probleme konnte aber kein Pilot feststellen.

Der Blick im normalen Fahrbetrieb ist nicht eingeschränkt, lediglich beim Start oder beim Boxenstopp könnte es noch Probleme mit der Startampel geben. Carlos Sainz fand zudem bei feuchten Bedingungen heraus, dass das Visier nicht mehr nass wird, es somit schwieriger wird, die Bedingungen richtig einzuschätzen. Das Ein- und Aussteigen wurde zweifellos schwieriger, allerdings scheiterte kein Pilot an der geforderten Maximal-Zeit.