Vor dem Grand Prix von Spanien hätte angesichts der Mercedes-Dominanz wohl kaum jemand sein Geld auf einen anderen Sieger gesetzt - und wenn, dann wohl nicht auf den jungen Max Verstappen. Ein überraschender Rennverlauf sorgte jedoch dafür, dass der 18-jährige Niederländer bei seinem ersten Rennen für Red Bull gleich als Erster über die Ziellinie fuhr.

Der Sohn des ehemaligen Formel-1-Piloten Jos Verstappen ist aber bei weitem nicht der Erste, der wie die Jungfrau zum Kinde auf die oberste Stufe des Siegerpodests kam. Wir gehen in der Geschichte zurück und zeigen, welche Piloten sich in der Vergangenheit bereits besonders über einen chaotischen Rennverlauf freuen durften. Manchmal war dies sogar der Beginn einer steilen Karriere.

1. Michael Schumacher - Belgien 1992

Eigentlich hatte Michael Schumacher 1992 mit dem Benetton Ford, angesichts der totalen Dominanz von Williams Renault, nicht das richtige Auto für einen Sieg. Niemand hatte also am 30. August dieses Jahres damit gerechnet, dass für den damals 23-Jährigen an diesem Tag im belgischen Spa Francorchamps die große Stunde schlagen würde - außer Schumacher selbst. "Ich weiß nicht, warum, aber als ich heute im Motorhome war, gingen mir Gedanken über einen möglichen Sieg durch den Kopf", sagte der Deutsche nach seinem Sieg.

Das Rennen wurde unter trockenen Bedingungen freigegeben und der von Platz zwei gestartete Ayrton Senna (McLaren) konnte sich zunächst gegen Polesitter Nigel Mansell (Williams) durchsetzen. Schumacher verlor eine Position und reihte sich hinter Mansells Teamkollege Riccardo Patrese auf Platz vier ein.

Kurz darauf kam der Regen und beide Williams gingen erst an Senna vorbei und anschließend zum Reifenwechsel in die Box. Schumacher und auch dessen Teamkollege Martin Brundle zogen nach, Senna hingegen blieb zu lange draußen und verspielte seine Chance auf den Sieg. Gegen Runde 30 hatte der Regen aufgehört und die Strecke begonnen wieder abzutrocknen. Auf abgefahrenen Regenreifen kam der auf Platz drei liegende Schumacher in der Stavelot-Kurve kurz von der Strecke ab und verlor seine Position an Brundle.

Michael Schumacher vor Teamkollege Martin BrundleFoto: Sutton

Der junge Deutsche nahm den Ausrutscher zum Anlass, die Box anzusteuern und zurück auf Slicks zu wechseln. "Martin hat mich überholt und ich konnte sehen, dass seine Reifen voller Blasen waren. Deshalb habe ich mich sofort entschieden, neue Reifen zu holen", so Schumacher damals.

Ein rennentscheidender Schachzug, denn bei Williams reagierte man nicht auf den Reifenwechsel der Konkurrenz. Schumacher übernahm so nach der Boxenstopp-Phase die Führung vor den beiden Williams und gab diese bis ins Ziel nicht mehr ab. Es war sein erster Grand-Prix-Sieg - 90 weitere sollten auf seinem Weg zu sieben Weltmeistertiteln folgen.

2. Olivier Panis - Monaco Grand Prix 1996

Der Grand Prix von Monaco 1996 hätte bei seinem Rennverlauf viele Sieger haben können: Im Grunde genommen eigentlich jeden, denn Olivier Panis hatte im Ligier Mugen Honda vom 14. Startplatz aus wohl kaum bessere Chancen auf einen Sieg als die restliche Konkurrenz aus dem Mittelfeld.

Nachdem das gesamte Rennwochenende die Sonne schien, erwartete die Fahrer am Rennsonntag starker Regen. Durch die neuen Verhältnisse begann das Rennen bereits mit Chaos: Zunächst krachte es in Kurve 1, und noch in der ersten Runde setzte mit Michael Schumacher auch einer der Favoriten sein Auto vor der Portier-Kurve in die Leitplanken.

Nach gerade einmal fünf Runden waren nur noch 13 Autos im Rennen. Schumachers Teamkollege Eddie Irvine hatte auf Platz vier schon einen signifikanten Rückstand auf das Führungstrio, als Panis in Runde 31 endlich einen Weg vorbei fand. Inzwischen trocknete die Strecke wieder ab und einige Fahrer wechselten bereits zurück auf Slicks.

Olivier Panis bei der Siegerehrung des Monaco Grand Prix 1996Foto: Sutton

In Runde 40 schied erst Damon Hills Williams und kurz darauf auch Jean Alesi im Benetton jeweils in Führung liegend aus. Damit übernahm Panis im Ligier die Führung, die er gegen die noch sechs verbliebenen Konkurrenten verteidigen musste - was ihm erfolgreich gelang. Am Ende sahen nur drei Autos tatsächlich die Zielflagge, insgesamt sieben kamen in die Wertung. Neben Panis stiegen David Coulthard (McLaren) und Johnny Herbert (Sauber) aufs Treppchen. "Ich werde die Schiffssirenen und die Feuerwerke auf meiner Ehrenrunde niemals vergessen. Und als mir die französische Flagge gereicht wurde, konnte ich einfach nicht widerstehen", so der glückliche Sieger nach dem Rennen.

Für Panis sollte dieser größte Tag seiner Formel-1-Laufbahn auch der einzige Sieg in der Königsklasse bleiben. In der darauffolgenden Saison befand sich der Franzose zwar wohl auf der Höhe seines Könnens, doch ein schwerer Unfall beim Grand Prix von Kanada nahm seiner Karriere den Schwung. Frankreich wartet im Jahr 2016 nun schon seit über 20 Jahren auf seinen nächsten Grand-Prix-Sieger.

3. Johnny Herbert - Europa Grand Prix 1999

Der Stewart-Ford von Johnny Herbert und Rubens Barrichello war in der Saison 1999 vor allem für die mangelhafte Zuverlässigkeit der Cosworth-Aggregate bekannt - an einen Grand-Prix-Sieg war somit nicht zu denken. Der Wettergott Petrus meinte es beim 14. Rennen der Saison auf dem Nürburgring jedoch gut mit den beiden Teamkollegen.

Auf trockener Strecke ging Herbert von Startplatz 14 in den Grand Prix von Europa, der gleich in der ersten Kurve nach einem schweren Unfall von Pedro Diniz im Sauber neutralisiert werden musste. Nach wenigen Runden kam der befürchtete Regen. Bis auf den in Führung liegenden Mika Häkkinen blieben alle Fahrer an der Spitze draußen, was sich schnell als die richtige Entscheidung erwies, da der Regen schnell weiterzog.

Kurz danach ereignete sich in der Ferrari-Box eine besonders kuriose Szene, als Eddie Irvine zum regulären Reifenwechsel an die Box kam und die unvorbereitete Crew nur mit drei frischen Reifen auf ihn wartete. Inzwischen lag Heinz-Harald-Frentzen (Jordan) vor David Coulthard (McLaren) und Ralf Schumacher (Williams) an der Spitze.

Frentzen musste das Rennen jedoch in Runde 32 mit einem Defekt aufgeben und auch Coulthard konnte sich anschließend nicht lange über die geerbte Führung freuen, da er einem weiteren Regenschauer zum Opfer fiel. Herbert hatte derweil im richtigen Moment auf Regenreifen gewechselt und lag auf Position drei. Und Petrus war noch nicht fertig mit den Piloten: Zunächst drehte sich der nun Führende Fisichella ins Aus, danach erlitt der Schumacher einen Plattfuß, der ihn wohl um den fast sicheren ersten Grand-Prix-Sieg vor heimischem Publikum brachte.

Für Stewart Grand Prix wäre der einzige Sieg beinahe ein Doppelsieg gewordenFoto: Sutton

Herbert lag damit in Führung, hinter ihm Jarno Trulli im Prost und Teamkollege Barrichello. Der Brite brachte den Rest des chaotischen Rennens ohne Fehler über die Bühne und schnappte sich völlig unerwartet seinen dritten Grand-Prix-Sieg. "Ich bin total aus dem Häuschen. Und besonders freue ich mich für Jackie (Stewart), denn es ist das letzte Jahr, in dem das Team seinen Namen tragen wird", gab Herbert nach seinem Sieg zu Protokoll.

Tatsächlich war es der einzige Sieg für das Team des dreifachen Formel-1-Weltmeisters Jackie Stewart, der den Rennstall am Ende der Saison an Jaguar verkaufte. Die wiederum veräußerten ihn nach der Saison 2004 an niemand geringeren als Dietrich Mateschitz und seinen Red-Bull-Konzern.

4. Giancarlo Fisichella - Brasilien Grand Prix 2003

Für Giancarlo Fisichella stand die Saison 2003 unter schlechten Vorzeichen: Sein Arbeitgeber Jordan hatte Honda als Motorenpartner verloren und der EJ13 stellte mangels Budget lediglich eine Evolution des Vorjahresauto dar. Unter kuriosesten Umständen gelang dem Italiener beim Grand Prix von Brasilien dennoch sein erster Sieg.

Vor dem Rennen auf dem Autódromo Carlos Pace in São Paulo fiel heftiger Regen, weshalb das Rennen hinter dem Safety Car fliegend gestartet wurde. Ein paar der Teams aus dem Mittelfeld entschieden in dieser Phase bereits dazu, ihre Autos in Erwartung weiterer Safety-Car-Phasen an die Box zu holen und randvoll zu tanken, um ohne weitere Stopps durch das Rennen zu kommen.

Pokalübergabe zwischen Fisichella und Räikkönen im Rahmen des San Marino Grand Prix 2003Foto: Sutton

Einer von diesen Piloten war Fisichella, der ohnehin mit wenig Sprit ins Rennen gestartet war, da er sich im Qualifying mit einem leichten Auto auf Platz acht qualifiziert hatte. In Runde 18 brach bei Fischellas Teamkollegen Ralph Firman die Vorderradaufhängung beim Anbremsen auf Kurve 1. Der Ire verfehlte Fisichella nur knapp, räumte dafür aber Olivier Panis im Toyota ab. Das löste die zweite zweite Safety-Car-Phase aus.

Viel Chaos in der 'Curva do Sol' und zwei Safety-Car-Phasen später lag Fisichella in Runde 35 eher unauffällig auf dem sechsten Platz, bei noch elf verbliebenen Fahrzeugen. Der Regen hatte mittlerweile aufgehört und die Strecke begann abzutrocknen, so dass die Regenreifen und Intermediates der Fahrer sich immer mehr auflösten, was zu einer Reihe von Boxenstopps führte.

Fisichella profitierte davon und lag plötzlich hinter Kimi Räikkönen auf dem zweiten Platz. Doch dabei blieb es nicht: In Runde 53 ging der Italiener tatsächlich am McLaren des Finnen vorbei und übernahm die Führung. Die rennentscheidende Szene ereignete sich dann eine Runde später, als Mark Webbers Jaguar kurz vor der Boxeneinfahrt hart in die Mauer einschlug und Fernando Alonso im Renault über die Wrackteile des Australiers fuhr und ebenfalls schwer verunfallte. Die Rennleitung kam 17 Runden vor Rennende zur Vernunft und brach das Rennen ab.

Fisichella schien damit für alle der Sieger des Rennens zu sein, doch die Kuriositäten gingen weiter: Erst fing sein Jordan im Parc Ferme Feuer und dann entschied die Rennleitung, das Rennen mit dem Ende der 53. Runde zu werten, als noch Räikkönen in Führung lag. Fisichella war damit den Sieg an Ort und Stelle zunächst wieder los. "Ich dachte, ich hätte das Rennen gewonnen, und das glaube ich auch immer noch. Aber Regeln sind Regeln", sagte der niedergeschlagene Fisichella in seiner ersten Reaktion.

Doch einige Tage später revidierte die FIA das Ergebnis jedoch und entschied, das Rennen mit Ende der 54. Runde zu werten, womit der Sieg dann doch Fisichella zugesprochen wurde. Der Italiener durfte daraufhin am nächsten Rennwochenende in Imola mit Räikkönen die Pokale tauschen.

5. Jenson Button - Ungarn Grand Prix 2006

Jenson Button hat mittlerweile einen WM-Titel und 15 Grand-Prix-Siege auf seinem Konto. Doch in der Saison 2006, die immerhin schon die siebte des Engländers war, stand er noch ohne Formel-1-Triumph da. Der unberechenbare Große Preis von Ungarn dieses Jahres brachte ihm völlig wider Erwarten beim 113. Anlauf die Erlösung.

Nach den Freien Trainings kam es aufgrund von Fehlverhalten während der Trainings-Sessions zu einigen Strafen. Hiervon waren die WM-Favoriten Michael Schumacher und Fernando Alonso betroffen, die dadurch am Q3 nicht teilnehmen konnten. Button qualifizierte sich daher auf Rang vier. Freuen konnte sich der Brite darüber allerdings nicht besonders, denn aufgrund eines Motorwechsels am Freitag wurde er in der Startaufstellung um zehn Plätze nach hinten versetzt.

Vater John Button freute sich mit Sohn Jenson über dessen ersten Grand-Prix-TriumphFoto: Sutton

Pünktlich zum Start war die Strecke nass - etwas, das man in Ungarn so nicht kannte: Noch nie zuvor wurde dort ein Rennen unter nassen Bedingungen gestartet. Kimi Räkkönen übernahm im McLaren zunächst die Führung, während Schumacher und Alonso sich durch das Feld kämpften. Mit dem Rennverlauf wurde deutlich, dass die Regenreifen von Bridgestone mit den Bedingungen ihre Schwierigkeiten hatten. Nach einer Kollision zwischen Räikkönen und Vitantonio Liuzzis Toro Rosso in Runde 26 gab es die erste Safety-Car-Phase.

Button entschied sich, die Neutralisierung nicht für einen Boxenstopp zu nutzen und rückte so auf den zweiten Platz vor. Nach dem Restart befand sich der Brite im Kampf mit den Führenden Alonso. Kurz darauf musste Button zum Spritfassen an die Box, konnte den zweiten Platz jedoch halten.

Die rennentscheidende Szene kam in der 51. Runde, als die Renault-Crew beim Boxenstopp Alonsos rechtes Hinterrad nicht richtig festzog und der Spanier dieses wenige Kurven nach der Boxenausfahrt verlor und ausschied. Button übernahm dadurch erstmals die Führung und lag von da an komfortable in Führung.

Auf abtrocknender Strecke brachte der BAR-Pilot das Auto sicher ins Ziel und seinen ersten Formel-1-Sieg damit in trockene Tücher. "Die meisten Leute sagen immer, dass sich der Führende wünscht, dass das Rennen zu Ende geht. Doch bei mir war es nicht so. Ich habe mir gewünscht, dass es ewig weiterläuft, da ich wusste, dass ich mit meinem Auto so schnell nicht nochmal auf seinen Sieg zusteuern würde", sagte Button einige Jahre später rückblickend.