Nach drei Wochen Pause hat die Formel 1 wieder Saison. Mit fast so großer Spannung wie der Saisonstart in Melbourne wurde Europaauftakt in Barcelona erwartet, schließlich kommen alle Teams mit umfassenden Upgrades an den Circuit de Catalunya. Die große Frage lautet: Hat sich das Kräfteverhältnis verschoben? Motorsport-Magazin.com analysiert die Volltanktests des zweiten Freien Trainings.

Das Offensichtliche vorneweg: Über eine Runde ist Mercedes weiterhin nahezu unantastbar, wie die deutlichen Bestzeiten in beiden Trainingssitzungen belegen. Ohne den Technikteufel beziehungsweise Fahrfehler scheint es beinahe ausgeschlossen, dass am Sonntag ein anderer Bolide als ein Silberpfeil von der Pole Position startet.

Hamilton sucht das Setup

Pirelli liefert die Hard- und Medium-Reifen nach Barcelona, die aufgrund des geringen Grips für viele Rutscheinlagen sorgten. "Wir haben keinerlei Graining oder Blasenbildung gesehen, was wir in der Vergangenheit hier hatten, deshalb sind wir sehr zufrieden", zog Motorsportdirektor Paul Hembery dennoch ein positives Fazit und taxierte den Zeitunterschied zwischen den beiden Mischungen auf rund anderthalb Sekunden.

Hamilton hat das richtige Setup noch nicht gefundenFoto: Sutton

Im Pirelli-Lager geht man grundsätzlich davon aus, dass die Boxen am Sonntag zwei Mal angelaufen werden. "Es wird vermutlich ein Zwei-Stopp-Rennen", meinte Hembery, fügte aber an: "Wir müssen die genauen Verschleißlevels analysieren, was manche Leute zu drei Stopps verleiten könnte, aber ich denke, wir werden wie ursprünglich angenommen bei einem Zwei-Stopp-Rennen bleiben."

Hamilton und Rosberg absolvierten auf beiden Mischungen Longruns. Dabei bot sich ein durchaus interessantes Bild, denn Rosberg war sowohl auf Hard als auch Medium schneller als sein Mercedes-Teamkollege unterwegs - im Gegensatz zur Performance über eine Runde. "Am Nachmittag habe ich viel an der Rennpace gearbeitet und ich bin mit meinem Longrun happy", frohlockte Rosberg dementsprechend, für den der Spanien GP ein Schlüsselrennen hinsichtlich seiner Titelchancen ist.

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Dass Hamilton recht deutlich hinter seinem Stallgefährten zurückblieb, war nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass der Brite noch über das richtige Setup für den Sonntag rätselte. "Die Balance verändert sich dauernd, was es sehr schwierig macht", gab der WM-Führende zu. "Ich tappe momentan im Dunkeln, was die Richtung des Setups betrifft, aber wir werden eine Lösung finden."

Ferrari mit Rückstand

Nicht minder spannend als das Duell der beiden Mercedes-Piloten ist der Vergleich mit der Konkurrenz aus dem Hause Ferrari. Der Scuderia wird gemeinhin nachgesagt, über das umfassendste Upgradepaket zu verfügen, das naturgemäß dazu beitragen soll, den Abstand zu Mercedes zu verringern. Die Longrun-Zeiten lassen jedoch zumindest Zweifel daran aufkommen, ob Ferrari den Silberpfeilen wirklich näher gekommen ist.

Während Rosberg nur einen verhältnismäßig kurzen Volltanktest mit den harten Reifen absolvierte, war Vettel ausschließlich auf dieser Mischung unterwegs und blieb dabei deutlich über dem Niveau seines Landsmannes, was diesem nicht verborgen blieb. "Wir schienen schneller als Ferrari zu sein", konstatierte Rosberg zufrieden.

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Vettel sieht Mercedes im VorteilFoto: Sutton

Bei Vettel sorgte diese Tatsache hingegen für einige Sorgenfalten auf der Stirn. "Sie sind zweifellos schnell. Immer wenn sie heute rausgingen, waren sie signifikant schneller als alle anderen", musste er noch vor der eingehenden Analyse hinsichtlich der Mercedes-Performance neidlos anerkennen. "Ich habe die Longruns noch nicht gesehen, aber der Abstand ist noch immer da, das sind die schlechten Nachrichten für uns."

Immerhin konnte sich der Heppenheimer damit trösten, dass seine Reifen kaum abbauten. Brannte er zu Beginn seines Longruns eine Zeit von 1:32.408 in den Asphalt, war seine 17. und letzte Runde mit 1:32.695 nur unwesentlich langsamer. Verantwortlich für den geringen Verschleiß waren nicht zuletzt die langsamen Umläufe, die Vettel immer wieder einstreute, was im Rennen allerdings nicht möglich sein wird.

Auf den Medium-Reifen bot sich ein ähnliches Bild, erneut hatte Mercedes die Nase klar vorne. Zwar liegen von Ferrari in Person von Kimi Räikkönen nur wenige seriöse Rundenzeiten mit der weicheren der beiden Mischungen vor, dennoch lässt sich ein stattlicher Rückstand auf Rosberg erkennen, der als einziger Pilot unter die Marke von 1:31 Minuten kam.

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Demensprechend stellte sich auch die Stimmung des Finnen dar. "Es war irgendwie ein komischer Tag für mich. Ich bin weder glücklich darüber, wie der Tag lief, noch, wie sich das Auto angefühlt hat", lamentierte Räikkönen. Zumindest dürfte Ferrari weiterhin die zweite Kraft im Feld sein, denn Williams gelang es nicht, an die Zeiten der Scuderia heranzukommen.

Fragezeichen Red Bull

Red Bull greift mit einer neuen Nase anFoto: Sutton

Ob Williams auf dem aerodynamisch anspruchsvollen Circuit de Catalunya weiterhin die dritte Kraft ist, lässt sich hingegen noch nicht abschließend beurteilen. Verantwortlich dafür ist die geringe Laufleistung der Red-Bull-Piloten. Daniel Ricciardo verzeichnete aufgrund seines Motorwechsels überhaupt keine Volltankzeit, und auch Teamkollege Daniil Kvyat kam mit der neuen Nase nicht übermäßig viel zum Fahren und blieb knapp über dem Niveau von Valtteri Bottas.

Sollte Red Bull keine Steigerung gelingen, droht erneut ein Duell mit dem kleinen Schwesterteam Toro Rosso, das sich am Freitag ausgesprochen stark präsentierte - sowohl über eine Runde als auch im Longrun. Ein Vorteil für Toro Rosso: Das Rookie-Duo Carlos Sainz und Max Verstappen kennt die Strecke in Barcelona dank der Wintertestfahrten bereits in- und auswendig und muss sich nicht erst an den Kurs herantasten.

Fazit: Mercedes scheint seine Hausaufgaben in der dreiwöchigen Rennpause gemacht zu haben. Anders als noch am Freitag in Bahrain konnte Ferrari den Silberpfeilen nicht Paroli bieten und liegt deutlich zurück. Abzuwarten bleibt, wie sich das Kräfteverhältnis zwischen Hamilton und Rosberg entwickelt. Der Deutsche präsentierte sich mit vollen Tanks bärenstark, steht allerdings wieder Hamilton auf der Pole Position, spricht viel für eine Fortsetzung seines Erfolgslaufs - Überholen ist in Barcelona bekanntlich schwierig. Dahinter dürfte Williams leichte Vorteile gegenüber Red Bull und Toro Rosso haben, wenngleich Kvyat und Ricciardo nicht viel fuhren und das Potenzial des rundumerneuerten RB11 daher nur erahnt werden kann.