Auch knapp eine Woche nach dem China GP ist das Wortgefecht zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton nach wie vor ein Thema. Die Kernaussage von Rosberg war, dass Hamilton ihn durch zu geringes Tempo behinderte und Sebastian Vettel damit aufschließen konnte. Hamilton hatte mit den Hinweisen gekontert, Rosberg hätte überholen können und dass er nicht für dessen Rennen verantwortlich sei.

Ex-Pilot Gerhard Berger findet, dass Rosbergs Kritik am Teamkollegen nicht hilfreich war. "Prinzipiell gilt: Jeder fährt nur für sich. Nico würde im Rennen doch auch nicht überlegen, wie er Lewis helfen kann", argumentierte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er rät Rosberg vor allem eines: "Die Nerven behalten. Er muss die Schwächen von Lewis ausnutzen und schauen, wann die Zeit für ihn spielt."

Er müsse versuchen, Hamilton auf seine Art zu schlagen. "Nicht unbedingt über Siege mit der Brechstange", meinte Berger. "Er muss ganz cool bleiben, immer alles abräumen, was er holen kann und sich sagen: Abgerechnet wird zum Schluss. Er muss sich noch klarer machen: Okay, heute werde ich Zweiter, weil es nicht besser geht. Und das nächste Mal probiere ich es wieder. Und auch wenn ich sechsmal nacheinander Zweiter werde, probiere ich es wieder."

Berger gibt zu bedenken, dass diese Taktik in der Vergangenheit funktionierte. "Es hat etliche Jahre gegeben, in denen nicht der stärkste Fahrer gewonnen hat, sondern derjenige, der am coolsten kalkulierte. Niki Lauda hat so 1984 im McLaren-Duell Alain Prost um einen halben Punkt niedergerungen. Und Prost wiederum hat auf diese Art 1989 Ayrton Senna bezwungen, als die beiden für McLaren fuhren. Senna war ganz klar der Schnellere. Aber Prost war immer so gut es ging - und wenn Senna ein Problem hatte, war er zur Stelle", erinnerte er sich.

Lewis hat sich sehr breitgemacht im Team

Daher traut er Rosberg auch eine Wende im Titelkampf zu - wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen. In den vergangenen Wochen habe ihm Rosbergs Körpersprache nicht gefallen. "Für einen Rennfahrer ist es wahnsinnig hart, Zweiter zu werden. Man glaubt in dem Moment, die Welt bricht zusammen. Man muss sich deshalb klarmachen: Das bewerte ich jetzt über. Zweiter zu werden, wenn ein anderer schneller ist, ist das Beste, was möglich ist. Dann muss man ganz kühl bleiben und sein Ding weiter durchziehen", forderte er. "Diese Taktik muss Nico jetzt anwenden. Aber ich fürchte: So weit ist er noch nicht ganz."

Was Rosberg noch fehle, sei mentaler und emotionaler Rückhalt. "Lewis hat sich durch den Titel sehr breitgemacht im Team. Das ist ein Nachteil für Nico", analysierte Berger, der sich an seine Zeit mit Ayrton Senna bei McLaren erinnert fühlt. Am Anfang der Saison 1990 habe er sehr gut mithalten können. "Ich war lästig für Senna", stellte er klar. "Irgendwann habe ich dann die Nerven verloren und mich viel zu sehr in Nebensächlichkeiten verbissen. Ich hätte meine Angriffe auf Senna viel besser planen können und müssen."

Mit Sennas zweitem Titel und der damit verbundenen Lockerheit des Brasilianers sei es für ihn noch schwerer geworden. "In so einer Phase ist es dann wahnsinnig schwer, so einen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ich habe meine besten Jahre in Sennas Schatten verloren." Es sei für ihn 'wahnsinnig schwierig' gewesen, zu realisieren, dass er selbst nie Weltmeister werden würde. "An der Einsicht knapse ich heute noch. Aber in der Situation ist Nico noch nicht."