Es war schon ein bisschen komisch: Als der große Regen in Spa kam, freuten sich einige Journalisten, andere weniger. Die einen fürchteten, ihre Texte nicht rechtzeitig fertigstellen zu können, die erste Gruppe freute sich über spannende Geschichten und die großen Überraschungen.

Als die Ampel auf Grün schaltete, war der Monsunregen längst vorübergezogen, doch nass war es allemal. Auf den Bildschirmen im Mediacenter kam eine Meldung nach der anderen: Irgendein Fahrer hatte den Scheitelpunkt irgendeiner Kurve verpasst. Die Entwarnungen kamen gleich mit: '... and continued at turn ...'

Jeder Fahrer hat zu irgendeinem Zeitpunkt die Strecke unfreiwillig verlassen, konnte aber anschließend ohne Probleme weiterfahren. In Anbetracht der riesigen asphaltierten Auslaufzonen wenig verwunderlich. "Ich war auch ein paar Mal neben der Strecke", gestand Polesetter Nico Rosberg. "Aber ich war ganz froh, dass nichts passiert ist, so wie du das jetzt sagst", fügte er noch leicht schockiert hinterher, weil der Fragesteller diese Tatsache negativ ausgelegt hatte.

Auch Rosbergs Teamkollege und der vielgelobte Regengott Lewis Hamilton war das ein oder andere Mal neben der Strecke anzutreffen. Bei einem Versuch unterbot er trotz des Fehlers die bis dato aktuelle Bestzeit sogar um eine Sekunde. Vermutlich gefällt es auch ihm, dass es kaum mehr richtige Kiesbetten gibt.

Für die Top-Fahrer in Top-Autos macht es die Abstinenz von Kiesbetten eine ganze Ecke einfacher im Regen. Kleinere Fehler, die im Regen einfach schnell passieren, enden somit nicht im Kiesbett, sondern mit einem kleinen Zeitverlust. Anschließend kommt der nächste Versuch, vielleicht noch ein Versuch und vielleicht noch einer. Bis die Zeit, die das Auto hergibt, eben da ist.

Die kleineren Teams freut das eher weniger. Von Regenchaos war das Qualifying zum Belgien GP weit entfernt. Und je weniger Chaos es gibt, desto schlechter stehen die Chancen für Marussia und Caterham. Eigentlich war der Regen die große Chance für Andrè Lotterer. Der Deutsche musste nach nur einem Tag in der Formel 1 plötzlich mit Spa und Regen klarkommen.

Lotterer fuhr ein starkes DebütFoto: Sutton

Am Ende stand eine ordentliche Zeit hinter Lotterers Name. Eine Sekunde fuhr er schneller als der - zugegeben mehr mit Geld als Talent gesegnete - Teamkollege. Trotzdem reichte die Zeit nur für den Vorletzten Startplatz. Ein Blick auf die Startaufstellung verrät: Der Regen hat das Feld nicht wirklich durcheinandergewürfelt. Die größte Überraschung war da schon Startplatz 18 für Nico Hülkenberg - wegen verglaster Bremsen.

Bei Bedingungen, bei denen sich einst die fahrerische Spreu vom Weizen trennte, trennt sich heute nur der Marussia vom Caterham, der Mercedes vom Red Bull. Nicht Hamilton von Alonso oder umgekehrt, nicht Bianchi von Lotterer oder umgekehrt. Fehler werden einfach nicht mehr bestraft. Trotz gefühlt mindestens 50 kleinerer Ausrutscher im Qualifying, blieb kein einziger Pilot in Folge eines Fehlers liegen. Nicht einmal Pastor Maldonado konnte diese Bilanz aufbessern.

"Für mich als Rookie ist das nicht schlecht", gab Lotterer offen zu. "Aber ich denk allgemein, wenn man eingeschossen ist und alle Karrierestufen durchgemacht hat, dann wären richtige Tracklimits gut." Selbst die hochgelobte Strecke in Spa hat inzwischen einiges an Reiz verloren. Dass die Auslaufzonen neben Eau Rouge inzwischen komplett asphaltiert sind, mag einleuchten und geht in Ordnung. Die Sicherheit wurde erhöht und Fehler werden noch immer bestraft.

Dass aber Les Combes am Ende der Kemmel-Geraden nur noch ein großer Parkplatz ist oder dass in Rivage die Auslaufzone nicht mehr von der Kurve zu unterscheiden ist, das ist nicht mehr Spa. "Früher musste man mit mehr Respekt an die Sache herangehen, Talent konnte besser unterschieden werden", sagt Lotterer.

Am Belgienwochenende war die Verpflichtung von Max Verstappen ein riesen Thema. Wie kann man einen 17-Jährigen Formel 1 fahren lassen? Dass ist doch der letzte Beweis dafür, dass die Autos zu einfach zu kontrollieren sind, meinen viele. Aber die diesjährigen Autos sind nicht so einfach zu fahren, darin sind sich die meisten einig. Aber wenn man die Fehler nicht mehr sieht, dann sieht es auch einfach aus.