Wie Phönix aus der Asche: Nach den desaströsen Wintertestfahrten schaute die Motorsportwelt gebannt darauf, wie sich Red Bull beim Saisonauftakt in Melbourne präsentieren würde. Zwei Trainings später ist klar: Das Weltmeister-Team lebt wieder.

Sebastian Vettel begann zwar mit Anfangsschwierigkeiten, als sein Unterboden zu Beginn des 1. Trainings getauscht werden musste und er nur zehn Runden fahren konnte, doch dann ging es steil bergauf. Im 2. Training am Nachmittag war der amtierende Weltmeister der fleißigste aller Fahrer und spulte problemlos 41 Runden ab. Teamkollege Daniel Ricciardo war mit 38 Umläufen ähnlich gut beschäftigt.

Vettel wieder zu Scherzen aufgelegt

Bei Vettel war nach dem Auftakt in Melbourne große Erleichterung zu spüren, daraus machte der Heppenheimer auch kein großes Geheimnis. "Wir sind heute wahrscheinlich so viel gefahren wie im ganzen Winter", scherzte er. "Man hat uns heute nicht angemerkt, dass die Vorbereitung nicht so gut war. Im Vergleich zur Zeit vor zwei Wochen haben wir einen Riesenschritt gemacht." All die Probleme mit der Power Unit von Motorenlieferant Renault schienen an diesem Freitag auf den ersten Blick wie weggeblasen.

Dabei hatten die Franzosen nicht einmal zwei Wochen Zeit, ihr Problem-Aggregat zu überarbeiten und die mangelhafte Software in den Griff zu bekommen. Woran lag es denn nun, dass Red Bull einen derartigen Aufschwung erlebte, mit dem nur wenige Beobachter gerechnet hatten?

"Wir haben viele neue Teile, die kamen", gab Vettel eine Antwort, merkte aber gleich an: "Nicht im Sinne von neu, sondern anders, was die Laufleistung angeht. Das hilft schon. Außerdem hatten wir Zeit und Ruhe, um alles vorzubereiten." Bei den Tests in Jerez und Bahrain wurden zwar auch neue Teile für den RB10-Boliden eingeflogen, dabei mussten allerdings einige Kompromisse gemacht werden.

"Bei den Tests kann man nicht so viel reagieren", erklärte Vettel. "Einerseits will man natürlich viel fahren, andererseits hat man nicht alle Ersatzteile, die man braucht. Es macht schon einen Riesenunterschied, wenn man hier quasi bei null anfängt."

Von 0 auf 100 im Eiltempo - Red Bull glänzte am Freitag nicht nur mit Zuverlässigkeit, sondern ließ zudem das Potenzial seines Speeds aufblitzen. Vettel und Ricciardo machten es sich durchgehend in den Top-6 der Zeitentabelle bequem. Dem Heppenheimer fehlten rund sieben Zehntel zu Lewis Hamiltons Bestzeit.

Keine Sieben Zehntel Rückstand

Bei Red Bull packen alle mit anFoto: Sutton

"Mit der Runde war ich nicht so richtig zufrieden, es müssen also keine sieben Zehntel sein", schickte Vettel eine erste Kampfansage an die Konkurrenz. Er habe bei Mercedes und Co. nichts Erschreckendes feststellen können, was die Rundenzeiten angeht. "Wir sind in der richtigen Spur", sagte Vettel äußerst zuversichtlich. "Wir machen Riesenschritte und ich habe keine Bedenken, dass wir irgendwann an der Spitze stehen - die Frage ist, wie lange das dauert."

Red-Bull-Teamchef Christian Horner bremste die Anfangseuphorie ein wenig und merkte an, dass die Lücke zu Mercedes und Ferrari derzeit noch beachtlich sei. "Aber wir bekommen jetzt ein Gefühl für den Abstand", so Horner.

Zuverlässigkeit als Schlüssel

Auch Ricciardo konnte sein Verständnis für den RB10 weiter ausbauen, mit insgesamt 64 Runden gehörte der Australier zu den aktivsten Piloten am Freitag. "Ich bin dankbar, dass wir so einen glatten Tag hatten", sagte Ricciardo mit dem gewohnt breiten Grinsen im Gesicht. "Die Zuverlässigkeit war heute der Schlüssel, denn wir haben gesehen, dass ein paar andere Autos quasi gar nicht gefahren sind."

Doch Runden allein reichen nicht, am Ende kommt es auf die Punkte an. Wie hoch stehen die Chancen für eine gute Ausgangslage der Red Bulls im Albert Park? "Wir sind komfortabel in den Top-10 und angesichts unseres Winters wären wir morgen nicht allzu enttäuscht über ein ähnliches Ergebnis", stapelte Ricciardo eher tief.

Ein Platz unter den besten Fünf des Qualifyings sei aber noch etwas besser, fügte Ricciardo an. Von der absoluten Spitze wollte er trotz des positiven Auftakts noch nichts wissen: "Wir hatten vorhergesagt, dass Mercedes stark sein würde und das haben sie heute auch bewiesen. Wir lagen aber weniger als eine Sekunde von ihnen getrennt und das ist viel besser als wir es erwartet hatten. Wahrscheinlich schnappen sie sich die erste Startreihe - wenn wir sie aber irgendwie daran hindern können, machen wir das natürlich."