Die DTM steht am kommenden Wochenende in Monza (18.-20. Juni 2021) vor ihrem späten Auftakt in die Saison 2021. Zum ersten Mal gastiert die Traditionsserie auf dem italienischen Formel-1-Kurs und erstmals setzt die DTM auf ein GT3-Reglement. Wenige Tage vor dem ersten Rennen (Samstag, ab 13:30 Uhr live bei Sat.1) gibt es noch einige Fragezeichen - unter anderem hinter den potenziellen Anwärtern auf die Meisterschaft.

Während der Meister-Tipp in den vergangenen Jahren vor dem Saisonstart meist leicht mit dem Namen 'Rene Rast' zu beantworten war, ist es diesmal kniffliger. Der Audi-Star startet dieses Jahr in der Formel E statt in der DTM und durch den Wechsel der Fahrzeug-Kategorie, Michelin als neuen Reifenpartner und nicht zuletzt die Einstufungen der Balance of Performance durch den neuen Partner AVL lässt sich eine Vorhersage nur schwer treffen.

Kaum ein Fahrer wollte vor dem Saisonstart in die Rolle des Titelanwärters schlüpfen. Deutliche Worte fand zumindest Nico Müller, DTM-Vizemeister 2019 sowie 2020 und nun Rasts Nachfolger beim Audi-Team Rosberg: "Hoffentlich sind wir bis zum Schluss im Rennen um den Meistertitel. Denn der kann für mich persönlich nach Rang zwei im vergangenen Jahr nur das Ziel sein."

Als größter DTM-Titelfavorit galt im Vorfeld sicherlich Kelvin van der Linde. Der Abt-Pilot kennt den Audi R8 LMS GT3 aus dem Effeff und gehört mit zwei Meisterschaften im GT Masters 2014 und 2019, dem Sieg beim 24h-Rennen Nürburgring 2017 sowie schier unzähligen Podestplätzen bei bedeutsamen Rennen zu den erfolgreichsten GT-Fahrern der vergangenen Jahre. Niemand hat Zweifel daran, dass ihm Abt Sportsline und Audi auch in der DTM ein bestens vorbereitetes Auto zur Verfügung stellen.

Van der Linde: Lasst euch Eier wachsen!

Der in Kempten lebende Südafrikaner - auf dessen forsche Sprüche sich DTM-Fans schon jetzt freuen können - weiß um seinen Favoriten-Status, hat aber offenbar langsam die Nase voll. In einer auffällig gut besuchten Online-Pressekonferenz der DTM vor dem Monza-Auftakt nahm van der Linde nun auch den Rest des 19-köpfigen Starterfeldes in die Pflicht.

"Lasst euch Eier wachsen und greift an", richtete er fünf Tage vor seinem 25. Geburtstag direkte Worte mit einem Grinsen im Gesicht an die Konkurrenz. "Favorit? Ich muss immer lachen, wenn ich das höre. Du fährst nicht DTM, wenn du kein Weltklasse-Fahrer bist. Alle wollen das herunterspielen, selbst mein Bruder!"

Sheldon, der zwei Jahre jüngere der van-der-Linde-Brüder, holte 2018 die Vize-Meisterschaft im GT Masters zusammen mit Kelvin und erzielte vor einer Woche seinen zweiten Podestplatz in Folge beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. In der DTM startet er für das BMW-Kundenteam ROWE Racing mit einem BMW M6 GT3, dessen Konkurrenzfähigkeit auf üblichen Rundstrecken nicht selten angezweifelt wird.

Nur Weltklasse-Fahrer in der DTM

Der vermeintliche DTM-Titelfavorit Kelvin weiter: "Wir sind hier alle Weltklasse-Fahrer und werden alle bei der Pace sein. Auf dem Papier sieht es gut aus für uns, da will ich nicht lügen. Aber auch diese Autos haben vier Räder und ein Lenkrad." Jeder der sechs in der DTM involvierten Hersteller habe mindestens einen Anwärter im Kader, war van der Linde sicher und pickte mit dem ehemaligen DTM-Piloten Daniel Juncadella - jetzt im GetSpeed-Mercedes - seinen Favoriten.

In der DTM 2021 treffen anerkannte GT3-Spezialisten wie Maximilian Götz (HRT-Mercedes) oder Maxi Buhk (Mücke-Mercedes als Ersatzmann für Gary Paffett) auf zahlreiche bekannte DTM-Gesichter wie Marco Wittmann, Nico Müller oder Mike Rockenfeller, die ebenfalls Erfahrung im GT3-Umfeld vorweisen.

Glock: Jungs mit GT3-Erfahrung im Vorteil

Nur wenige der bisherigen DTM-Werksfahrer haben in der Vergangenheit größtenteils auf Ausflüge in die GT3-Welt verzichtet. Das prominenteste Beispiel ist sicherlich Timo Glock, der es stets vorzog, den vollen Fokus auf eine Kategorie zu legen. Seine bisherige GT3-Erfahrung in mehr als 20 Jahren Motorsport-Karriere beschränkt sich auf drei Langstreckenrennen: 2015 startete er mit Alex Zanardi und Bruno Spengler beim 24-Stunden-Rennen in Spa auf einem umgebauten BMW Z4 GT3, 2017 und 2018 nahm er jeweils zum Jahresanfang die 12 Stunden von Bathurst mit einem M6 GT3 in Angriff.

Der 39-Jährige, der für ROWE Racing an der Seite von Sheldon van der Linde startet und als einer von drei Piloten das neuartige Space-Drive-Lenksystem im Auto verbaut hat: "Ich saß nur eineinhalb bis zwei Tage im Auto, das ist alles", sagte Glock. "Die Jungs mit GT3-Erfahrung haben einen Vorteil. Die kennen das Auto blind und springen einfach rein. Für mich hingegen ist es ein Lernprozess, aber am Ende werden wir einen Weg finden, um auf Speed zu kommen."

Ferrari-Talent favorisiert Mercedes

Während einige Szene-Kenner auf den stark besetzten Mercedes-AMG-Kader setzen, darf man auch Ferrari nicht außer Acht lassen. Das bekannte Werksteam AF Corse mit den wechselnden Fahren Liam Lawson, Alex Albon und Nick Cassidy war vor allem beim letzten DTM-Test auf dem Lausitzring phasenweise schnell unterwegs.

Formel-2-Toptalent Lawson, der in Monza an der Seite von Ex-Formel-1-Fahrer Albon für das italienische Team antritt: "Es ist schwierig zu sagen, wer die Favoriten sind. Bei den Tests ist jeder sein eigenes Programm gefahren. Die Mercedes sehen stark aus. Wenn ich einen Favoriten wählen müsste, würde meine Wahl auf einen der Mercedes-Fahrer fallen."